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Das Monopol

Titel: Das Monopol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Kublicki
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Steuerzahlung, ob von Privatleuten oder Unternehmen, von Reichen oder Armen, wurde zur ersten Bürgerpflicht. Die Eintreibung der Steuern musste jedoch durch zahllose Militärrazzien in den Buchhaltungen legal arbeitender und von der Mafia kontrollierter Unternehmen gesichert werden. Die meisten Energiegewinnungs- und Rohstoffmonopole wurden abgebaut, staatliche Unternehmen privatisiert. Die Leiter sämtlicher alter Staatsbetriebe wurden entlassen und dem FSB somit ein schwerer Schlag versetzt, da er an Macht einbüßte. Doch Orlow hatte seinen Machiavelli gründlich studiert und wusste, wie er sich FSB und GRU warm halten konnte.
    Die Schocktherapie zeigte Wirkung. Doch in einem Land ohne demokratische Geschichte oder Sinn für Marktwirtschaft ging der Prozess naturgemäß langsam voran – für viele zu langsam und schmerzhaft. Schon bald begann das gute, jedoch an zu viel Leid gewöhnte russische Volk wieder über die schwierige Lage zu klagen. Ausländische Investoren zögerten, ihre Gelder fließen zu lassen. Es wurden zu wenig neue Arbeitsplätze geschaffen. Wieder mussten die Leute lange auf ihren Lohn warten. Nach Orlows Wiederwahl, die mit ein wenig Hilfe des vorsichtigen Militärs zu Wege gebracht worden war, musste die Armee unter Kürzungen und einer immer noch instabilen Infrastruktur leiden. Wieder stand Orlow auf schwankendem politischen Boden und sah sich einer Koalition aus Nationalisten und Kommunisten gegenüber; manche glaubten auch, die mafija sei darin verwickelt und werde von einem geheimnisvollen Mann angeführt, der sich selbst Molotok nannte, der »Hammer«.
    Slythe nahm ein Glas Tee, das Nowirsk auf einem Silbertablett servierte. Lieber hätte er eine Line geschnupft.
    Orlow nippte am Tee und zündete sich eine Davidoff an. »Nun, Mr Slythe. Ich möchte Ihre Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehmen. Wie Sie sehen, sind Finanzminister Woroschilow und die Direktoren von Komdragmet, der Staatlichen Diamantenkommission, sowie die Herren von Almazy Rossii und Almazy Rossii-Sacha nicht anwesend. Auf meine Bitte hin. Unsere Unterhaltung ist also völlig privat.« Er schaute zu Wladimir Nowirsk, Lester Churchman und Ian Witsrand hinüber, um Slythe zu signalisieren, dass auch er seine Hunde von der Leine lassen sollte.
    »Wenn Sie wünschen.« Slythe wandte sich an seine Begleiter, schniefte. »Bitte entschuldigen Sie uns.« Sie verließen den Raum.
    »Mr Pjaschinew ist natürlich auch nicht da. Aber das wissen Sie ja schon.«
    »Ja«, sagte Slythe traurig. »Ein scheußlicher Unfall, wie ich gehört habe. Sein Fachwissen wird uns schrecklich fehlen.« Er meinte es ehrlich. Wenn Pjaschinew überlebt hätte, wäre Waterboer jetzt im Besitz der verschwundenen russischen Diamanten. Wieder schniefte er.
    Orlow begann in ausgezeichnetem Englisch: »Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich die derzeitige Lage kurz zusammenfassen. Seit 1985 besteht ein Vertrag zwischen Russland und der großen Waterboer Mines Limited. Den Bedingungen zufolge – und der Vertrag läuft diesen Monat aus, wie wir beide wissen – verkauft Russland neunzig Prozent seiner Rohdiamanten an Waterboer, das macht ungefähr neun Millionen Karat jährlich. Dafür zahlt Waterboer knapp eine Milliarde Dollar an Russland. Auch nach der Auflösung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken 1991 hat die Russische Föderation die Vertragsbedingungen strikt eingehalten.«
    Slythe nickte; er fragte sich, worauf Orlow hinauswollte.
    »Ich weiß nicht genau, wie ich es diplomatisch formulieren soll, Mr Slythe, aber wir kennen uns ja so gut, dass wir die Förmlichkeiten beiseite lassen können. Überdies bin ich ein einfacher Mann und werde mich daher einfach ausdrücken. Meine Vorgänger waren viel zu großzügig mit Waterboer. Der Vertrag kann unter den bisherigen Bedingungen nicht fortgesetzt werden.«
    Orlow hielt inne, stand auf und ging mit langsamen Schritten im Zimmer auf und ab. Slythe verrenkte sich den Hals, um den schwergewichtigen Russen im Auge zu behalten.
    »Und zwar aus mehreren Gründen. Erstens«, Orlow zählte an der linken Hand ab, »sind seit 1990 neue Minen in Russland erschlossen worden. Russland fördert heute weit mehr Rohdiamanten als 1990. Zweitens hat Waterboer die Qualität russischer Diamanten viel zu gering bewertet.«
    »Herr Präsident, ich …«
    »Lassen Sie mich bitte ausreden.« Orlow war nun lauter geworden. »Russland weiß sehr wohl, dass Waterboer uns zwei Milliarden Dollar geliehen hat, um unsere

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