Das Monster von Bozen
wäre.«
Tadini sah Vincenzo entgeistert an. »Das wäre ja Mord! Darauf wäre ich niemals gekommen. Aber möglich wäre es, es gibt genügend Arzneien und Giftstoffe, die einen Herzinfarkt provozieren können. Fragt sich bloß, wie das mitten auf einer Bergwanderung gehen soll.«
»Ich danke Ihnen, Dottore, Sie haben uns sehr geholfen. Der Leichnam wird nicht nach Deutschland überführt, sondern in die Gerichtsmedizin nach Bozen. Eine entsprechende polizeiliche Anordnung geht Ihnen zu. Ist das für Sie ein Problem?«
»Mir ist es gleich, Commissario, Hauptsache, ich kann mich endlich wieder meinen Patienten widmen. Arrivederla! « Damit drehte sich Tadini um und eilte davon.
***
Bozen
Baroncini nickte. »Gut, Commissario, das reicht für eine polizeiliche Anordnung. Ich kümmere mich darum. Ich denke, dass uns der Obduktionsbericht im Laufe der kommenden Woche vorliegen wird. Die Presse müssen wir so lange wie möglich heraushalten. Offiziell haben wir es lediglich mit zwei Unglücksfällen zu tun.«
Marzoli berichtete Vincenzo von Francos unbekannten Freizeitaktivitäten und den Summen, um die es bei den Projekten der SSP ging. »Geld und Habgier sind nach Eifersucht das häufigste Mordmotiv«, resümierte Vincenzo. »Haben Sie mehr über diese Fördergelder erfahren?«
»Vielleicht, aber ich weiß nicht, ob das für uns von Belang ist. Ein Teil der direkten Zuschüsse wird an irgendeinen Fonds in Liechtenstein gezahlt. Der nennt sich … Moment.« Marzoli blätterte in seinen Notizen, während er mit der anderen Hand wie fremdgesteuert nach dem nächsten Cantuccino griff. »Da ist es … IFS, International Financial Services, so was kann sich doch kein Mensch merken. Diese Gelder werden nebst Zinsen genutzt, um Unternehmen zu helfen, denen es wirtschaftlich schlecht geht.«
»Ist so was üblich?«
»Keine Ahnung, für die Leute von der SSP scheint es nichts Außergewöhnliches zu sein.«
»Klingt auch nachvollziehbar. War das alles?«
»Fast. Es hat vor Kurzem einen merkwürdigen Zwischenfall gegeben. Die SSP und einige ihrer Kunden bekamen Besuch vom Mitarbeiter irgendeiner Aufsichtsbehörde. Er wollte die Zahlungen an diese IFS überprüfen.«
»Was war daran merkwürdig? Es geht schließlich um eine Menge Geld.«
»Merkwürdig deshalb, weil es bisher noch nie eine solche Prüfung gegeben hat. Dabei kam es jedoch zu keinerlei Beanstandungen.«
»Wir sollten auf jeden Fall mit dieser Aufsichtsbehörde sprechen. Wie nennt die sich?« Vincenzo hatte schon den Stift angesetzt, um den Namen der Behörde neben IFS zu notieren. »Das wussten die bei der SSP nicht mehr genau. Sie kannten diese Behörde vorher selbst nicht.«
Das irritierte Vincenzo. »Halten Sie es für glaubwürdig, dass eine Gesellschaft wie die SSP jahrelang Unternehmen berät und mit Millionenbeträgen jongliert, aber keine Ahnung hat, von wem sie weshalb geprüft wird?«
»Mir kam das auch seltsam vor. Aber für Gemini gab es keinerlei Zweifel, dass diese Prüfung in Ordnung ging. Er meinte, dieser Krisenfonds sei offiziell von der Wirtschaftsförderung eingerichtet worden. Und die wussten laut Gemini auch von den Kontrollen und haben ihm bestätigt, dass sie legitim waren. Glauben Sie, dass das relevant ist?«
»Allerdings«, sagte Vincenzo nur. Er schrieb »Aufsichtsbehörde« zwischen SSP und IFS. Hinter IFS und Gemini setzte er jeweils ein großes Ausrufezeichen. Am nächsten Tag würde er der Wirtschaftsförderung einen Besuch abstatten. Marzoli bat er, sich gründlich über die IFS zu informieren. Wer steckte hinter dieser Organisation? Wirklich nur die Wirtschaftsförderung?
10
Donnerstag, 2. Juli
»Dottore Franco, wir müssen Sie vorläufig auf freien Fuß setzen«, sagte Vincenzo. »Vorher möchte ich aber von Ihnen wissen, wie das genau mit Ihrem Schlüssel war. Den kann man doch nicht einfach übersehen. Sie hätten ihn schon am Freitag finden müssen.«
Franco, dem man die nervliche Belastung der Untersuchungshaft an den tiefer gewordenen Falten ablesen konnte, verdrehte wieder einmal die Augen. »Das habe ich Ihnen doch alles schon mehrmals erzählt. Ich war angeschlagen, deshalb unkonzentriert. Als ich den Schlüssel nicht fand, habe ich mich von Panzini nach Hause bringen lassen. Am Montag habe ich wieder gesucht und den Schlüssel in einem Ordner in meiner Schublade gefunden.«
»Legen Sie den Schlüssel immer in dieselbe Schublade?«
»Ja.«
»Wissen das Ihre Kollegen?«
»Das kann ich
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