Das Monster von Bozen
eigentlich ein? Was glaubte der, mit wem er es zu tun hatte?
Ohne anzuklopfen stürmte Marzoli wutschnaubend ins Büro des Vice-Questore, vorbei an der verdatterten Signora Sacchini. Zu Marzolis Entsetzen bestätigte Baroncini, der geflissentlich über den Mangel an Etikette hinwegsah, Lambergers Ausführungen in allen Punkten.
Desillusioniert verließ der Ispettore Baroncinis Büro. Wenn sie wüssten, wer hinter der IFS steckte, wären ihre Ermittlungen möglicherweise einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Jetzt hieß es stochern.
***
Im Büro von Carlos Mancini, dem Leiter des Amtes für Wirtschaftsförderung, war es kühl. Seit dem Vorabend fegte ein kräftiger Nordföhn durchs Etschtal. Auf der Alpennordseite galt der Föhn, der sich von Süden her über den Alpenhauptkamm wälzte, als Schneefresser. Kam er umgekehrt von Norden, brachte er der Alpensüdseite im Sommer eine angenehme Erfrischung. Vincenzo hatte sogar einen Pullover angezogen.
Mancini hingegen, einem Mann Mitte fünfzig mit einer merkwürdig unförmigen Figur, standen die Schweißperlen auf der Stirn, er wirkte nervös. »Was kann ich für Sie tun? Ich bin ein wenig, äh, in Eile.«
Vincenzo ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Ohne aufgefordert worden zu sein, setzte er sich auf den Besucherstuhl und sah den Amtsleiter aufmerksam an. »Wir ermitteln wegen zweier Todesfälle, Signor Mancini, beide bei der SSP. Von Ihnen möchte ich wissen, was es mit der IFS auf sich hat, denn dorthin fließt offensichtlich ein Teil der Fördergelder, die Ihre Behörde Kunden der SSP bewilligt.«
Carlos Mancini wirkte ungepflegt, er hatte ein aufgedunsenes, großporiges Gesicht, das auf reichlichen Alkoholkonsum schließen ließ. Sein noch recht volles Haar und die himmelblauen Augen ließen erahnen, dass er irgendwann einmal ganz attraktiv gewesen sein mochte. Vielleicht hatten ihn Schicksalsschläge zu dem gemacht, was er heute war. Er tat Vincenzo auf Anhieb leid.
Zögernd antwortete er: »So stimmt das nicht ganz, Commissario. Das gilt nur für Darlehen und Zuschüsse für ausländische Gesellschaften, die sich in Südtirol niederlassen wollen, nicht wahr, und das auch erst ab einer bestimmten Größe. Es geht nicht um irgendeinen Almbauern im Grödnertal, nicht wahr.«
Vincenzo lächelte dem Amtsleiter aufmunternd zu. »Aha, und was hat die IFS damit zu tun?«
»Nun, die haben wir gegründet, also die, äh, wir, die Wirtschaftsförderung. Dort arbeiten professionelle Manager, also, äh, Fondsmanager, nicht wahr. Die, äh, legen die Gelder so an, dass sie Gewinne erwirtschaften, nicht wahr.«
Vincenzo nickte verständig. »Und was ist der Zweck dieser IFS? Wofür dient dieser Fonds?«
»Nun ja, also, wissen Sie, in der Vergangenheit sind immer wieder Firmen pleitegegangen, nicht wahr, weil ihre Pläne nicht eingetreten sind, wie geplant, sozusagen, also, jedenfalls waren dann die Fördergelder futsch, nicht wahr.« Mancini wischte sich mit einem nicht ganz sauberen Taschentuch den reichlich fließenden Schweiß von der Stirn.
»Ja, und?«
»Ja, äh, dagegen wollten wir etwas unternehmen, also wir von der Wirtschaftsförderung, es geht schließlich um das Geld der Steuerzahler, nicht wahr. Immer, wenn ein Vorhaben bewilligt wird, nicht wahr, fließt ein Teil der Fördergelder in den Fonds, nicht wahr. Aus dem Fonds sollen Unternehmen gestützt werden, die in eine Schieflage geraten, damit sie überleben können, nicht wahr, um Arbeitsplätze zu sichern und Steuern zahlen zu können. Das ist ein echtes Solidaritätsprinzip. So ist das also.«
Vincenzo nickte erneut. »Ich verstehe. Und wie viele Firmen haben bereits Geld aus diesem Fonds erhalten?«
»Bis jetzt noch keine, das war nicht nötig, es gab keine Pleiten in der letzten Zeit, nicht wahr. Allzu lange gibt es diesen Fonds ja auch noch nicht.«
»Wie bitte? Dann müssen sich ja Unsummen angesammelt haben. Was passiert denn mit dem ganzen Geld?«
»Wie gesagt, das wird alles professionell angelegt, keine wilden Spekulationen, nicht wahr. Sollte aus diesem Topf innerhalb festgelegter Fristen nichts abgerufen werden, nicht wahr, geht ein Teil zurück in die Wirtschaftsförderung, nicht wahr.« Mancinis Taschentuch war inzwischen nass.
»Gut, Signor Mancini, was Sie erzählen, klingt einleuchtend. Würden Sie mir freundlicherweise ein paar aktuelle Kontoauszüge zeigen?«
Mancini starrte ihn erschrocken an. Er schien aufrichtig empört ob dieses ungeheuerlichen Ansinnens. In
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