Das Monster von Bozen
besuchen.«
»Ich werde wahnsinnig, wenn ich dich länger als ein paar Tage nicht sehe, ich brauche dich.«
»Ich dich genauso, Bärchen. Vor mir aus kann das noch ewig so weitergehen.« Sie streichelte ihm durch das schon schüttere Haar.
»Das wird es auch. Hauptsache, du hältst weiterhin die Klappe. Kann ich mich auf dich verlassen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Bärchen, was redest du bloß für einen Unsinn? Ich werde ewig schweigen, von mir erfährt niemand was. Großes Indianerehrenwort!«
Er hob beschwichtigend die Hände. »Ich weiß, dass ich dir vertrauen kann. Immerhin kostest du mich einiges, aber du bist jeden Cent wert.«
»Red nicht dauernd von Geld! Nur du zählst für mich. Was wäre ich bloß ohne dich?«
»Na, ich weiß nicht. Wenn man dich so anschaut«, er betrachtete sie lüstern von unten bis oben, »dürftest du dich vor Anträgen kaum retten können.«
Mit gespielter Empörung sagte sie: »Na hör mal, ich gehe dir doch nicht fremd! Natürlich habe ich Chancen, fragt sich nur, bei wem. Das sind entweder unreife Bübchen oder alte Knacker, die vergessen haben, vorher in den Spiegel und in ihre Hose zu schauen. Du bist ein ganz anderes Kaliber, Bärchen. Von einem wie dir habe ich immer geträumt. Wann kommst du wieder?«
»Kann ich nicht sagen. Ich muss ein bisschen aufpassen, bei uns in der Firma ist einiges im Busch. Aber bestimmt noch diese Woche, länger halte ich es doch gar nicht aus.«
Was täte er bloß ohne diese Frau? Nicht nur, dass sie ihm regelmäßig das Gefühl gab, ein richtiger Mann zu sein, es war auch herrlich unkompliziert. Warum musste alles immer so wahnsinnig schwierig sein? Ihre Beziehung war doch das beste Beispiel dafür, dass es anders ging. Freilich, das Vergnügen kostete ihn einiges, dafür musste er entsprechend viel tun. Das war der Preis für sein lockeres, fröhliches und geiles Paralleluniversum. Er war sich nur nicht sicher, ob dieser Zustand noch lange andauern würde. Sie waren dabei, ihm auf die Schliche zu kommen! Sein Traum könnte platzen wie eine Seifenblase. Er musste sich dagegen rüsten.
***
»Vincenzo, ich habe hier eine Nachricht für dich, von Marzoli!« Paolo Verdi vom Empfang kam Vincenzo schon auf dem Treppenaufgang zur Questura entgegen.
»Danke, Paolo«, murmelte der Commissario und verschwand in seinem Büro.
Bin in die Klinik gefahren, meiner Tochter geht es nicht gut, irgendwas mit dem Magen. Komme morgen früh sofort zu Ihnen. Aus Köln gibt es nichts Neues, die Polizei sucht die damaligen Akten bis morgen raus. An der Uni habe ich niemanden gefunden, der sich erinnern konnte.
Gruß Marzoli
Der arme Marzoli, er liebte seine Familie über alles, hoffentlich war es nichts Ernstes. Das Vatersein hatte offensichtlich Licht- und Schattenseiten. Sogar in einem solchen Moment des Kummers musste er sich eingestehen, dass er Menschen wie Marzoli beneidete. Sie hatten einen Lebensmittelpunkt. Wenn der Ispettore nach Hause kam, wartete jemand auf ihn, er konnte zusehen, wie seine Kinder größer wurden, wie sie sich veränderten, mal zum Positiven, mal zum Negativen. Und er liebte seine Kinder, was immer auch geschah.
Vincenzo hoffte, dass sich seine Beziehung zu Gianna weiter so vielversprechend entwickelte wie in den letzten Wochen. Er ging auf die vierzig zu, wenn er noch eine Familie wollte, wurde es allmählich Zeit.
Vincenzo steuerte auf das Büro des Vice-Questore zu. »Herein«, ertönte die Stimme der gestrengen Signora Sacchini, » Buongiorno , Commissario, Sie wollen zu Dottore Baroncini?«
»Ja, Signora, und ich möchte mich bei Ihnen bedanken, dass Sie uns bei unseren Recherchen unterstützt haben.«
»Keine Ursache, Commissario, hat es Ihnen denn wenigstens weitergeholfen?«
»Ich weiß es nicht. Es ist ein komplizierter Fall, unzählige Puzzlesteine, kaum welche passen zusammen. Kann ich rein?«
»Gehen Sie nur.«
Vincenzo legte seinem Chef Ausdrucke seiner Pinnwände vor, die er mit seiner Digitalkamera abfotografiert hatte. »Ich bin beeindruckt, wie Sie es geschafft haben, auf Ihrer Tour den Tod von Arthur Achatz nachzuvollziehen. Sie scheinen über ein großes Einfühlungsvermögen zu verfügen«, bemerkte Baroncini anerkennend.
»Ich hatte das Gefühl, nur so könnte ich verstehen, wie er gestorben ist.«
Baroncini machte sich eine Notiz in seiner Kladde, die offen vor ihm lag. Eine seiner Eigenarten. Bei jedem Gespräch, egal mit wem, egal, worum es ging, hatte er diese Kladde vor sich liegen
Weitere Kostenlose Bücher