Das Monster von Bozen
lässig übereinandergeschlagen hatte, lächelte vielsagend: »Glauben Sie mir, Commissario, das wollen Sie gar nicht so detailliert wissen. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
»Das war’s fürs Erste. Sie können davon ausgehen, dass Sie Ihre Aussage unter Eid bestätigen müssen.«
»Kein Problem, Commissario, nur sollten Sie damit nicht zu lange warten. Irgendwann vergesse ich selbst diese Nacht.« Sie grinste ihn breit an.
Vincenzo war sich nicht sicher, ob er dieser überheblichen Schönheit glauben konnte. Fakt war, dass Schimmel nunmehr ein wasserdichtes Alibi hatte. Er würde ihn gleichwohl in der Rubrik »Reserveverdächtige« ganz nach oben setzen. Wenn diese Frau käuflich war, warum sollte sie sich dann nicht auch für eine Lüge bezahlen lassen?
***
Der Geschäftsführer der ObjekTeam war verzweifelt. »Was ist mit der Finanzspritze aus Liechtenstein? Wir stehen mit zweihundertfünfzigtausend in der Kreide, wir kriegen keinerlei Aufschub und unser Kunde reagiert auf nichts. Ich befürchte, ehrlich gesagt, dass der selbst ein finanzielles Problem hat.«
Klaus Mantinger hatte vormittags permanent versucht, Mancini oder dessen Stellvertreter zu erreichen. Er wusste sehr gut, dass es für ObjekTeam kurz vor zwölf war. »Es tut mir leid, Herr Wagner, wir konnten den Leiter der Wirtschaftsförderung noch nicht erreichen. Wie es scheint, ist er der Einzige, der weiß, wie ein Transfer abläuft. Seien Sie versichert, dass ich alles tun werde, um dieser Behörde richtig Dampf zu machen.«
Dass der Lieferant sich dermaßen querstellte, war bei so einem Volumen verständlich. Es ließ sich nicht vermeiden, er musste zu Gemini. »Signor Gemini, sagen Sie mir, was sollen wir tun? Die Zeit drängt, aber Mancini ist nicht erreichbar. Ich habe schon bei ihm zu Hause angerufen, dort ist er auch nicht. Wer außer ihm könnte einen Transfer anweisen?«
Gemini schüttelte den Kopf. »Es geht nur mit seiner Unterschrift oder der seines Stellvertreters. Der weilt aber derzeit an irgendwelchen griechischen Stränden. Wir müssen warten, bis Mancini sich meldet. Rufen Sie den Lieferanten der ObjekTeam an und erklären Sie ihm die Situation. Da das Geld faktisch verfügbar ist, lassen sie sich hoffentlich zwei, drei Tage hinhalten.«
Nach Rücksprache mit der ObjekTeam gelang es Mantinger, den Lieferanten bis zum Wochenende zu vertrösten. Das verschaffte ihnen ein wenig Luft. Er würde bis morgen abwarten. Wenn dann immer noch keine Reaktion aus dem Amt gekommen war, mussten sie sich was einfallen lassen.
***
Auf der Tagesausgabe der »Dolomiten« auf seinem Schreibtisch fand Vincenzo einen Haftzettel mit einer Nachricht von Paolo Verdi: »Bitte lesen und dann sofort zum Vice-Questore!«
Als er einen Blick auf die Überschrift auf der Titelseite warf, blieb ihm sein erstes Cantuccino fast im Hals stecken.
Wer ist das Monster von Bozen?
Bozen – Unsere Zeitung hat vor Kurzem darüber berichtet, dass auf dem Arthur-Hartdegen-Weg ein Deutscher infolge eines Herzinfarktes gestorben ist. Inzwischen ist bekannt geworden, dass es sich um Mord handelt. Das Opfer, Arthur Achatz aus Augsburg, wurde vorsätzlich mit den Essenzen des Roten Fingerhut, Digitalis purpurea, vergiftet. Eine Woche später verunglückte Ernesto Panzini, wie Achatz Mitarbeiter der Firma SSP in Bozen, am Penegal tödlich. Zumindest behauptet dies das offizielle Statement der Polizei.Unsere Zeitung hat jedoch exklusiv aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass es sich auch hierbei um einen Mord handelt. Wer ist das Monster von Bozen? Wer mordet derartig skrupellos und hinterhältig? Ist die Mafia nun in Südtirol angekommen? Und es muss auch erlaubt sein zu fragen, warum die Polizei eine Politik der bewussten Desinformation betreibt? Was will man damit bezwecken?Die Journalisten dieser Zeitung möchten wissen: War Panzini das letzte Opfer, oder geht das Morden weiter? Wie sicher können sich unsere Bürger noch fühlen? Wir werden diesen Fragen nachgehen und unsere Leser umfassend und tagesaktuell über neue Erkenntnisse informieren.Fernando Fasciani
Vincenzo war wie vor den Kopf gestoßen. Woher wussten die das? Gab es in der Questura eine undichte Stelle? Hatte vielleicht er selbst sich verplappert? Hatte jemand ein Gespräch mitgehört? Er griff zum Telefonhörer. »Wissen Sie es schon, Marzoli?«
»Was soll ich wissen?«
»Sie haben also die ›Dolomiten‹ von heute noch nicht gelesen?«
»Nein, wieso?«
»Kommen Sie zu
Weitere Kostenlose Bücher