Das Monster von Bozen
Brunello standen. Es war nicht zu begreifen, wie leicht man den Wicht manipulieren konnte. Da war überhaupt kein Widerstand, keine Gegenwehr, keine eigene Meinung, nichts. Eine Herausforderung war das wahrlich nicht. Eigentlich fühlte er sich durch diese teilnahmslose Art persönlich beleidigt. Aber gut, dann tranken sie halt noch ein paar Gläser zusammen. Immerhin ein Brunello.
»Klasse, der Wein. Deine komischen Anwandlungen sind vorbei, oder?«
»Was für Anwandlungen?«
Er zwinkerte Mancini zu. »Na, von wegen keinen Sinn mehr, keine Ziele, das klingt verdächtig nach finsteren Absichten.«
»Und wenn schon, ich bin für alles gerüstet, nicht wahr. Prost.«
»Prost. Inwiefern bist du gerüstet?«
»Augenblick.« Mancini torkelte zu einem Aktenschrank und holte eine Holzkiste hervor, die er auf den Glastisch legte und öffnete. »Guck dir das an, das ist eine Beretta, nicht wahr, wunderschöne Waffe, oder?«
Er bedachte die kleine Waffe mit einem spöttischen Blick. »Was willst du denn damit? Nachtfalter jagen?«
»Quatsch! Kaliber 6,35, das reicht dicke, wenn du nicht mehr willst.«
Er schüttelte energisch den Kopf. »Mensch, Mensch, was soll ich nur mit dir machen? Hast dir sogar schon eine Knarre besorgt. Es muss dir wirklich schlecht gehen. Pass auf, nächste Woche hole ich noch mal hundert Riesen. Was hältst du davon?«
Mancinis Mine hellte sich augenblicklich auf. »Das wäre großartig! Du bist heute ausnahmsweise richtig nett zu mir, nicht wahr.«
»Wenn wir telefonieren, bin ich meistens im Stress. Stell dir vor, jemand würde unsere Gespräche mitkriegen! Manchmal nervst du auch ein bisschen, aber ansonsten bist du in Ordnung. Zuverlässig, eloquent, ein richtiger Freund. Jetzt ist Schluss mit Trübsal blasen! Gieß uns noch mal kräftig ein, lass uns auf diese Scheinchen anstoßen und auf die, die demnächst noch kommen!« Er lachte laut. Es klang unwirklich und aufgesetzt.
Mancini bemerkte es nicht.
22
Montag, 20. Juli
Die Frau in dem hübsch geschnittenen blauen Kostüm klopfte an die Tür zum Bürobereich des Amtsleiters. »Avanti!«
» Buongiorno , Signora Addazio, ich möchte zu Signor Mancini. Wir haben die erste Unternehmenskrise.«
»Tut mir leid, Signora Galasso, der Chef ist noch nicht da.« Mancinis persönliche Assistentin sah verblüfft auf ihre Armbanduhr, halb zehn.
»Hat er denn Auswärtstermine? Es ist wirklich dringend!«
Signora Addazio zog verächtlich eine Augenbraue hoch. »Nein, er ist noch nicht im Büro. Das kommt in letzter Zeit häufiger vor. Einige vermuten schon, dass unser Herr Amtsleiter ein Alkoholproblem hat.«
»Ich habe davon gehört. Das sollten wir uns erlauben, dauernd saufen, und dann auch noch zu spät kommen. Ganz schnell wären wir unsere Jobs los.«
»Sie sagen es, Signora Galasso. Wissen Sie, ich hätte nichts dagegen, wenn hier ein frischer Wind weht.«
»Geht mir ebenso. Aber im Moment müssen wir wohl noch mit dieser Flaute vorliebnehmen.«
Signora Addazio verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. »Leider, aber Sie können mir gerne sagen, um wen es geht, dann suche ich schon mal die Akte raus und lege sie ihm auf den Schreibtisch.«
»Firma ObjekTeam, die hat sich letztes Jahr hier niedergelassen, eine deutsche Firma. Ein Kunde zahlt nicht, gleichzeitig haben sie hohe offene Lieferantenrechnungen. Die Insolvenz droht, ein Klassiker.«
»Und diese ObjekTeam hat in den Fonds eingezahlt? Damit hätten wir ja endlich unseren ersten Krisenfall.«
»Richtig. Bitte sagen Sie Mancini gleich Bescheid, damit er alles Nötige veranlassen kann. Der Hauptlieferant lässt sich nicht mehr hinhalten, das Geld muss schnell kommen.«
»Sobald der Chef kommt, rede ich mit ihm. Er hat einen Termin um elf, den verschiebe ich. Ein Krisenfall geht vor.«
***
»Hören Sie auf mit dem Theater, Schimmel! Sie stehen unter Mordverdacht. Wir haben in Köln ermittelt, und was wir herausgefunden haben, spricht gegen Sie. Entweder Sie sagen uns endlich, was Sie in der Mordnacht wirklich gemacht haben oder wir nehmen Sie in Untersuchungshaft. Haben Sie das begriffen?«
Bei der Nachbesprechung des Kölnbesuchs hatten sie entschieden, zuerst einmal Hans-Georg Schimmel einem verschärften Verhör zu unterziehen. Falls er ein besseres Alibi hatte, würde er es unter Druck preisgeben, dann könnten sie einen weiteren Verdächtigen von ihrer Liste streichen. Vincenzo hatte ihn am frühen Morgen angerufen und ihn noch zu Hause erreicht. Jetzt
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