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Das Monster von Bozen

Das Monster von Bozen

Titel: Das Monster von Bozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Rüth
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niemand, er ist … war … also die andere Wohnung steht seit einem Vierteljahr leer.« Damit zerschlug sich die Hoffnung, jemand im Haus könnte etwas von den Ereignissen mitbekommen haben. »Ich … ich … also wir, wir im Amt … ich meine, seine Sekretärin weiß, wo Signor Mancini seinen Ersatzschlüssel aufbewahrt. Sie meinte, dass ich den mitnehmen sollte, um nachsehen zu können, falls niemand aufmacht.«
    »Nachdem Sie die Wohnungstür geöffnet haben, ist Ihr Blick da sofort auf Mancini gefallen?«
    Ihre Augen sahen ihn angstvoll an. »Es war furchtbar, das viele Blut, oh mein Gott. Der arme Mancini.«
    »Eine letzte Frage, Signora. Haben Sie irgendetwas angefasst?«
    »Ich konnte nicht … konnte mich gar nicht … bewegen …«
    Vincenzo wusste, dass er Signora Galassos Belastungsfähigkeit ausgereizt hatte. Er brachte sie zu seinem Auto und setzte sie auf den Beifahrersitz. Schweigend warteten sie auf das Eintreffen der Spurensicherung. Dann brachte Vincenzo Signora Galasso nach Hause und fuhr zurück in die Questura. Ihn interessierten zunächst der Abschiedsbrief und die Frage, ob dieser zweifelsfrei von Mancini stammte. Denn dass sich Mancini ausgerechnet jetzt das Leben genommen hatte, war ein merkwürdiger Zufall.
    Marzoli hatte am Vormittag diverse Kunden der SSP angerufen, um sie nach dem Besuch des Inspekteurs zu fragen. Alle waren zwar verärgert über dieses unangekündigte Erscheinen, hatten den Mann aber schnell wieder vergessen, weil ihnen die Fragen, die der Beamte gestellt hatte, wenig verfänglich vorkamen. Es ging in erster Linie darum, wie hoch der Anteil der Krisenrücklage am Gesamtbudget war, wer der oder die Verantwortlichen für die Transfers waren und wie sich der Kunde in einer Zwangslage aus dem Krisentopf bedienen könnte. Interna oder heikle Firmendaten interessierten ihn nicht. Auch die Begründung für seinen Besuch hatte ihnen eingeleuchtet.
    Marzoli hatte von allen Kunden eine übereinstimmende Beschreibung des Mannes bekommen und erfahren, dass sich die Behörde, von der er angeblich gekommen war, »Europäische Gesamtaufsicht für Finanztransaktionen in Drittländer« nannte. Typische Behördensprache. Mittels Internetrecherche fand Marzoli binnen weniger Minuten heraus, dass es eine solche Behörde nicht gab.
    Als Vincenzo den Geschäftsführer der SSP mit der Frage konfrontierte, warum er nicht selbst auf diesen Gedanken gekommen sei, reagierte Gemini mit einem Schulterzucken. Er wies darauf hin, dass dieses Fördergeldmodell neu eingeführt worden sei, daher hätten sie keinen Grund gehabt, an den Aussagen des Inspekteurs zu zweifeln. Im Gegenteil, mit solchen Prüfungen sei zu rechnen gewesen. Außerdem hatte ihnen der Mann eine Visitenkarte mit einer Internetadresse gegeben. Gemini hatte sich die Seite der Behörde sofort angesehen, und da gab es sie noch, er habe auch diesen Beamten dort gefunden.
    Angesichts dieses methodischen Vorgehens sprach vieles dafür, dass es sich bei dem angeblichen Inspekteur um einen professionellen Ermittler gehandelt hatte, der wusste, wie man überzeugend auftrat. Damit stellte sich allerdings die Frage, wer den Privatdetektiv beauftragt hatte.
    Dass diese Behörde nicht existierte, überraschte Vincenzo nicht sonderlich. Es passte zu dem Bild, das sich allmählich in seinem Kopf zu formieren begann. Es wurde Zeit, zu Reiterer zu gehen. Jede noch so kleine Information konnte sie jetzt einen großen Schritt weiterbringen.
    ***
     
    In der Spurensicherung bot sich Vincenzo eine filmreife Szene. Reiterer befand sich in einem aufgeregten Disput mit einem jungen Mitarbeiter, den Vincenzo nicht kannte. Mit einem Blatt Papier, das er zwischen Daumen und Zeigefinger seiner in einem Latexhandschuh steckenden rechten Hand hielt, fuchtelte er vor dem Gesicht seines schockstarren Gegenübers herum. Dabei schimpfte und fluchte er so lauthals, dass der wohl kaum zwanzigjährige Mann, jetzt den Tränen nah, an Vincenzo vorbeirannte und fluchtartig den Raum verließ.
    Erst nachdem der Mitarbeiter verschwunden war, nahm Reiterer Notiz von Vincenzo. »Ah, Commissario, kommen Sie rein, setzen Sie sich. Espresso? Haben Sie das gerade mitbekommen? Das war mein neuer Praktikant. Dieser Trottel! Schnappt sich Mancinis Abschiedsbrief direkt unter meinem Mikroskop weg, als wäre es ein Liebesbrief seiner Freundin, mit bloßen Händen! Können Sie sich das vorstellen? Und der will in den Polizeidienst!«
    Reiterer hasste nichts mehr als Schlampigkeit. Wer

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