Das Monster von Bozen
Stimmengewirr stammte von seinen Kollegen: »Unmöglich!«, »… bloß ein Irrtum«, »… wird sich aufklären«.
Lediglich Junghans stand ein wenig abseits. Mantinger ging auf ihn zu, stieß ihn an und fragte eindringlich: »Franz, was ist hier los, erzähl schon!«
»Du, die haben Gemini verhaftet, unglaublich, oder?«
»Das habe ich selbst gesehen, aber wieso?«
»Keine Ahnung. Wir haben bloß mitgekriegt, wie die vier Bullen hier reingestürmt kamen, direkt in Geminis Büro. Laute Stimmen, und nach einer Minute waren sie wieder im Flur, mit Gemini in Handschellen. Mehr weiß ich nicht.«
Mantinger ließ von Junghans ab. Gemini war festgenommen worden, offenbar hielten sie ihn für den Mörder. Was bedeutete das? Business as usual, sich um die ObjekTeam kümmern. Er ging in sein Büro und nahm den Hörer ab.
***
»Die Dolomiten, Fernando Fasciani.«
» Buongiorno , ich bin es wieder, Ihr Auflagenbringer.«
» Buongiorno , Signore, von Ihnen höre ich gerne. Haben Sie Neuigkeiten für uns?«
»Ja, habe ich, nehmen Sie sich was zum Schreiben. Heute wurde entdeckt, dass sich Carlos Mancini, der Leiter des Amtes für Wirtschaftsförderung, das Leben genommen hat. In seinem Abschiedsbrief beschuldigt er Salvatore Gemini, Geschäftsführer der SSP, des Subventionsbetruges und des Mordes an Arthur Achatz und Ernesto Panzini. Wir haben Gemini heute verhaftet. Aber wir können nicht mit letzter Gewissheit sagen, ob Mancinis Tod wirklich Selbstmord war. Das wird erst die Obduktion zeigen.«
Fasciani sah ungläubig auf das Telefon. »Hören Sie, wer sind Sie eigentlich? Das sind vertrauliche Details!«
»Diese Frage ist überflüssig, das wissen Sie selbst. Wenn ich auffliege, bin ich meinen Job los. Trotzdem habe ich keine Lust, mitanzusehen, wie die Öffentlichkeit bewusst getäuscht wird. Hier geht ein eiskalter Mörder um, das sollten unsere Mitbürger wissen. Also, wollen Sie oder wollen Sie nicht?«
Was für eine Story! Das würde die Auflage in ungeahnte Höhen katapultieren und ihn endgültig zur Nummer eins der Redaktion machen. Was war er nur für ein Glückspilz. »Natürlich will ich! Haben Sie noch mehr?«
»Den Rest können Sie sich selbst zusammenreimen. Wir haben es jedenfalls mit Subventionsbetrug in großem Stil und einem skrupellosen Betrüger zu tun, der hierfür im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht, auf jeden Fall über zwei, vielleicht über drei. Wenn wir weitergekommen sind, rufe ich Sie wieder an. Ciao .« Schon hatte der mysteriöse Anrufer aufgelegt.
Fasciani ging nachdenklich mit seinem Notizblock zu seinem Chefredakteur. »Du, Tommaso, der Kerl hat wieder angerufen.«
»Gut! Was hat er gesagt?«
Fasciani berichtete, was der geheimnisvolle Anrufer ihm erzählt hatte. Nach der ersten Euphorie spürte er jetzt eine gewisse Verunsicherung. »Sollen wir das wirklich bringen? Die Spekulation darüber, ob dieser Mancini eines natürlichen Todes gestorben ist?«
»Fernando, hältst du den Informanten für glaubwürdig oder nicht? Das ist die entscheidende Frage.«
»Definitiv! Nur ein Mitarbeiter der Questura verfügt über derartige Detailinformationen.«
»Gut, dann schreib den Artikel. Beschränk dich ganz auf das, was er dir erzählt hat. Wir sind als Zeitung der Öffentlichkeit gegenüber verpflichtet, und ich kann es nicht ausstehen, wenn wir von der Polizei verarscht werden. Und selbstverständlich muss ich unsere Auflage im Fokus haben. Nach dem ersten Anruf hatten wir Verkaufszahlen wie seit dieser brutalen Vergewaltigung in Meran nicht mehr. ›Das Monster von Bozen‹ war aber auch eine klasse Schlagzeile. Also, bring das, genau in diesem Stil. Gute Arbeit, Fernando!«
***
Vincenzo und Marzoli standen zusammen vor dem Verhörzimmer. »Marzoli, fangen Sie mit Geminis Befragung an. Konfrontieren Sie ihn ohne Vorwarnung mit Mancinis Abschiedsbrief und beobachten Sie ihn dabei genau. Ich werde unterdessen noch einmal in Liechtenstein anrufen und Druck machen. Hoffentlich sind die dann wenigstens bereit, sich ein paar Fotos anzusehen.«
Vincenzo ging in sein Büro, rief in Vaduz an und ließ sich sofort mit Ignaz Lamberger verbinden.
»Guten Tag, Commissario. Erst kürzlich hat ein Kollege von Ihnen angerufen. Worum geht es denn diesmal?« Lambergers Tonfall verriet Vincenzo, dass dieser wenig erfreut über die neuerliche Störung seitens der italienischen Polizei war. Ihm war bewusst, dass er bei einem solchen Menschen nur mit Diplomatie und einer
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