Das Monstrum
heulend entschuldigte, in sein Zimmer geschickt. Dann hatte sie sich an den Küchentisch gesetzt und geweint, bis sie lachte, während David – ein ruhiges, unbeschwertes Kind, eine sonnige Südseeinsel, wenn Hilly ein umstürmtes Kap war – sich an den Stangen des Laufstalls festhielt und sie verwundert ansah.
Etwas, das sehr für Hilly sprach, war seine offenkundige Liebe zu seinem Bruder. Und wenngleich Marie und Bryant zögerten, Hilly das Baby halten zu lassen, ja sogar, es länger als, sagen wir, dreißig Sekunden in einem Zimmer mit Hilly allein zu lassen, entspannten sie sich allmählich.
»Himmel, man könnte Hilly und David zwei Wochen zum Zelten an den Allagashsee schicken, und die würden in bester Verfassung zurückkehren«, sagte Ev Hillman. »Er liebt den Kleinen. Und er kann gut mit ihm umgehen.«
Das stimmte. Die meisten – wenn auch nicht alle – Schwierigkeiten Hillys hingen mit dem ehrlichen Wunsch zusammen, seinen Eltern zu helfen oder sich zu bessern. Es ging einfach immer schief, das war alles. Aber bei David, der den Boden anzubeten schien, über den sein älterer Bruder gewandelt war, schien alles zu klappen, was Hilly tat …
Das heißt, bis zum 17. Juli, als er den Trick vorführte.
3
Mr. Robertson Davies (möge sein Tod noch tausend Jahre auf sich warten lassen) hat in seiner Deptford Trilogy darauf hingewiesen, dass unsere Einstellung gegenüber Zauberei und Zauberern weitgehend unsere Einstellung gegenüber der Wirklichkeit widerspiegelt und dass unsere Einstellung gegenüber der Wirklichkeit unsere Einstellung gegenüber der ganzen Welt der Wunder widerspiegelt, in der wir leben – dass wir nichts sind als kleine Kinder, die allein im Wald sind, selbst die ältesten von uns (und vermutlich sogar Mr. Davies selbst), für die es Bäume gibt, die beißen, und andere, die einem große mystische Gefälligkeiten erweisen – zweifellos eine Eigenheit ihrer Rinde.
Hilly war vollauf davon überzeugt, dass er in einer Welt der Wunder lebte. Das war stets seine Grundeinstellung gewesen, und daran änderte sich auch nichts, egal, wie viel »Schwierigkeiten« er hatte. Die Welt war so geheimnisvoll schön wie die Glaskugeln, die seine Mutter und sein Vater jedes Jahr an den Weihnachtsbaum hängten (Hilly sehnte sich danach, selbst welche aufzuhängen, aber die Erfahrung hatte ihn gelehrt – und seine Eltern ebenfalls –, dass es für eine Glaskugel das Todesurteil bedeutete, wenn Hilly sie in die Hand bekam). Für Hilly war die ganze Welt so unsagbar verwirrend wie der Zauberwürfel von Rubik, den er zu seinem neunten Geburtstag bekommen hatte (der Würfel war jedenfalls zwei Wochen großartig verwirrend, dann löste Hilly ihn routiniert). Seine Einstellung gegenüber Zauberei war daher vorhersehbar – er liebte sie. Die Zauberei war wie geschaffen für Hilly Brown. Unglücklicherweise war Hilly Brown, wie Dunstable Ramsey in Davies’ Deptford Trilogy, nicht geschaffen für Zauberei.
Aus Anlass seines zehnten Geburtstags fuhr Bryant zur
Derry Mall, um seinem Sohn noch ein Geschenk zu kaufen. Marie hatte ihn in der Kaffeepause angerufen. »Mein Dad hat vergessen, Hilly etwas zu besorgen, Bryant. Er hat gefragt, ob du in der Mall vorbeischauen und ihm ein Spielzeug oder so etwas kaufen könntest. Er gibt dir das Geld wieder, wenn sein Scheck kommt.«
»Klar«, sagte Bryant und dachte: Und Schweine lernen fliegen.
»Danke, Liebling«, sagte sie dankbar. Sie wusste genau, dass ihr Vater – der mittlerweile sechs – bis siebenmal in der Woche bei ihnen zu Abend aß, statt wie bisher fünfmal – ein Nagel zum Sarg ihres Mannes war. Aber er hatte sich niemals beschwert, und dafür liebte Marie ihn von ganzem Herzen.
»Hat er eine Vorstellung, was Hilly gefallen würde?«
»Er sagt, er verließe sich auf dein Urteil«, sagte sie.
Typisch, dachte Bryant. Also war er an diesem Nachmittag in einen der beiden Spielzeugläden der Mall gegangen und hatte nach Spielen, Puppen (die Puppen für Jungs wurden euphemistisch »Action-Figuren« genannt), Modellen und Kästen gesucht (Bryant sah einen großen Chemiekasten, stellte sich vor, wie Hilly Substanzen in Reagenzgläsern mischte und schüttelte sich). Nichts schien das Richtige zu sein; mit zehn Jahren war sein Sohn zu alt für Babyspielzeug und noch nicht alt genug für so komplizierte Sachen wie Lenkdrachen und benzingetriebene Modellflugzeuge. Nichts schien das Richtige zu sein, und er stand unter Zeitdruck. Hillys Geburtstagsparty
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