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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sollte um fünf Uhr beginnen, und es war schon Viertel nach vier. Er hatte kaum noch genügend Zeit, um nach Hause zu fahren.
    Er griff beinahe zufällig nach dem Zauberkasten. Dreißig neue Tricks!, stand darauf. Gut. Viele Stunden Spaß für den jungen Taschenspieler!, stand darauf. Auch gut. Alter:
8-12 Jahre, stand darauf. Prächtig. Sicherheitsgeprüft für den jungen Zauberkünstler!, stand darauf, und das war am allerbesten. Bryant kaufte ihn und schmuggelte ihn unter dem Jackett ins Haus, während Ev Hillman zusammen mit Hilly, David und drei von Hillys Freunden einen rührend falsch gesungenen Chor von »Sweet Betsy from Pike« intonierte.
    »Du kommst gerade recht zum Geburtstagskuchen«, sagte Marie und küsste ihn.
    »Könntest du das vorher noch einpacken?« Er gab ihr den Zauberkasten. Sie warf einen flüchtigen Blick darauf und nickte. »Wie ist es gegangen?«
    »Prima«, sagte sie. »Als Hilly an der Reihe war, dem Esel den Schwanz anzustecken, ist er übers Tischbein gestolpert und hat Stanley Jernigan die Stecknadel in den Arm gestochen, aber das war bislang alles.«
    Das verbesserte Bryants Stimmung auf der Stelle. Das war wirklich prima. Als Eddie Golden im letzten Jahr bei einem Versteckspiel in Hillys »schönstes Versteck aller Zeiten« gekrochen war, hatte er sich das Bein an einem rostigen Stück Stacheldraht aufgerissen, das Hilly irgendwie immer verfehlt hatte (Hilly hatte dieses alte Stück Stacheldraht überhaupt nie gesehen). Eddie war zum Arzt gebracht worden, der die Wunde mit drei Stichen und einer Tetanusspritze behandelt hatte. Der arme Eddie hatte allergisch auf die Spritze reagiert und im Anschluss an Hillys neunten Geburtstag zwei Tage im Krankenhaus verbracht.
    Jetzt lächelte Marie und küsste Bryant erneut. »Daddy dankt dir«, sagte sie. »Und ich auch.«
    Hilly packte alle Geschenke erfreut aus, aber als er den Zauberkasten auspackte, war er ergriffen vor Begeisterung. Er rannte zu seinem Großvater (dem es mittlerweile bereits gelungen war, die Hälfte von Hillys Devil’s-food-cake-Geburtstagstorte
hinunterzuschlingen, und sich gerade ein weiteres Stück abschnitt) und umarmte ihn heftig.
    »Danke, Opa! Danke! Genau das, was ich mir gewünscht habe! Woher hast du das nur gewusst?«
    Ev Hillman lächelte seinen Enkel gütig an. »Ich schätze, ich habe noch nicht ganz vergessen, wie es ist, ein Junge zu sein«, sagte er.
    »Das ist super, Mann! Dreißig Tricks! Sieh dir das an, Barney …«
    Als er herumwirbelte, um Barney Applegate den Kasten zu zeigen, stieß er mit der Ecke gegen Maries Kaffeetasse, die zerbrach. Kaffee spritzte und verbrühte Barneys Arm. Barney schrie.
    »Tut mir leid, Barney«, sagte Hilly immer noch tanzend. Seine Augen strahlten so sehr, dass es schien, als stünden sie in Flammen. »Aber sieh dir das an! Cool! Echt abgefahren! «
    Nachdem die drei oder vier anderen Geschenke, die Bryant und Marie sehr viel früher aus einem FAO-Schwartz-Katalog bestellt hatten, damit sie rechtzeitig kamen, auf den Status von Helmträgern in einem Monumentalfilm degradiert worden waren, wechselten Bryant und Marie einen vielsagenden Blick.
    Herrje, Liebling, das tut mir leid, sagten ihre Augen.
    Nun, zum Teufel … so ist das Leben mit Hilly, antworteten seine.
    Sie lachten beide.
    Die Partygäste drehten sich für einen Augenblick zu ihnen herum – Marie vergaß niemals Davids runde, feierliche Augen –, dann sahen sie wieder Hilly zu, wie er seinen Zauberkasten auspackte.
    »Ob wohl noch etwas von diesem Walnusseis mit Ahornsirup übrig ist«, überlegte Ev laut. Und Hilly, der seinen
Großvater an diesem Nachmittag für den großartigsten Menschen der Welt hielt, rannte los, um es ihm zu holen.
    4
    Mr. Robertson Davies hat in seiner Deptford Trilogy auch angedeutet, dass dieselbe große Binsenweisheit, die auf das Schreiben, Malen, das Beurteilen von Pferden auf dem Rennplatz und das Erzählen von Lügen auf völlig glaubhafte Weise zutrifft, auch für die Zauberei gilt: Manche Leute haben den Dreh heraus, andere nicht.
    Hilly hatte ihn nicht heraus.
    In Davies’ Fifth Business, dem ersten der Deptford-Bücher, führt der Erzähler, der von der Zauberei fasziniert ist (ein Junge ungefähr in Hillys Alter), verschiedene Tricks – ziemlich schlecht – vor einem Beifall spendenden, unkritischen Publikum aus, das aus nur einer Person besteht (einem viel jüngeren Jungen, etwa in Davids Alter), wobei das Ergebnis ironisch ist: Der ältere Junge stellt fest, dass

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