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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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als er nach dem Feuer und der Erregung der vergangenen Nacht suchte, fand er nur bittere Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit. Die beiden Artikel auf Seite eins hatten ihm fast sein letztes bisschen Mumm genommen. Haven verwandelt sich in ein Schlangennest, und jetzt fangen sie an zu beißen. Ich muss jemanden davon überzeugen, dass es so ist, aber wie soll ich das anstellen? Wie kann ich jemanden davon überzeugen, dass sie in dieser Stadt Gedanken lesen können und weiß Gott was sonst noch? Wie, wo ich mich doch kaum daran erinnern kann, woher ich weiß, dass etwas vor sich geht? Wie, wo ich doch niemals selbst etwas gesehen habe? Wie? Mehr noch, wie soll ich es machen, wo sich doch die ganze gottverdammte Sache direkt vor ihren Augen abspielt und sie sie nicht sehen? Ein Stück die Straße entlang dreht eine ganze Stadt durch, und niemand hat die geringste Ahnung davon, dass es geschieht.
    Er schlug wieder die Seite mit den Nachrufen auf. Ruths klare Augen sahen ihn aus einem dieser seltsamen Zeitungsbilder heraus an, die nichts weiter sind als dicht zusammengedrängte Pünktchen. Ihre so ruhigen und klaren und offenen Augen sahen ihn gelassen an. Ev vermutete,
dass es mindestens fünf Männer in der Stadt gab, wahrscheinlich sogar ein Dutzend, die in sie verliebt gewesen waren, und sie hatte es niemals gewusst. Ihre Augen schienen selbst die Vorstellung vom Tod zu leugnen und für absurd zu halten. Dennoch war sie tot.
    Er erinnerte sich, wie er mit Hilly weggefahren war, während sich der Suchtrupp formiert hatte.
    Sie könnten mit uns kommen, Ruthie.
    Ev, ich kann nicht … Lassen Sie es mich wissen.
    Er hatte es versucht, weil er der Überzeugung gewesen war, wenn Ruth zu ihm nach Derry käme, würde sie in Sicherheit sein … und sie könnte seine Geschichte bestätigen. In seinem Zustand von Verwirrung, Elend und, ja, Heimweh, war sich Ev nicht sicher, was davon ihm wichtiger gewesen war. Letzten Endes war es einerlei. Er hatte dreimal versucht, Haven direkt anzuwählen, das letzte Mal nach seiner Unterredung mit Bright, aber kein Anruf war durchgekommen. Einmal hatte er es über das Amt versucht, und dort hatte man ihm gesagt, dass eine Leitung defekt zu sein schien. Ob er es später noch einmal versuchen wollte? Ev sagte, das wollte er, hatte es aber nicht getan. Stattdessen hatte er sich im Dunkeln hingelegt und dem Kichern des Ausgusses gelauscht.
    Und jetzt, weniger als drei Tage später, hatte Ruth ihn etwas wissen lassen. Mittels der Nachrufseite.
    Er sah Hilly an. Hilly schlief. Die Ärzte weigerten sich, es Koma zu nennen – seine Hirnströme waren nicht die eines komatösen Patienten, sagten sie; es waren die Hirnströme eines Menschen im Tiefschlaf. Ev war es einerlei, wie sie es nannten. Er wusste, dass Hilly entschwebte, und ob es sich um einen Zustand handelte, der Autismus hieß – Ev wusste nicht einmal, was das Wort bedeutete, aber er hatte die Ärzte mit gedämpften Stimmen, die nicht für seine Ohren
bestimmt gewesen waren, davon reden gehört –, oder um einen, der Koma hieß, spielte keine Rolle. Das waren nur Worte. Hilly entschwebte, darauf lief es hinaus, und das war wirklich schrecklich genug.
    Auf der Fahrt nach Derry hatte der Junge sich verhalten wie eine Person in tiefem Schock. Ev hatte eine vage Ahnung, dass es besser für ihn wäre, wenn er ihn aus Haven fortbrächte, und in ihrer hektischen Sorge um David schienen weder Bryant noch Marie zu bemerken, in welchem Zustand sich sein älterer Bruder zu befinden schien.
    Es hatte nichts genutzt, aus Haven zu verschwinden. Mit Hillys Bewusstsein und seiner Klarheit war es weiter bergab gegangen. Am ersten Tag im Krankenhaus hatte er elf von vierundzwanzig Stunden geschlafen. Er konnte einfache Fragen beantworten, aber kompliziertere verwirrten ihn. Er klagte über Kopfschmerzen. Er konnte sich überhaupt nicht an die Zaubervorstellung erinnern und schien zu glauben, sein Geburtstag wäre erst letzte Woche gewesen. In dieser Nacht hatte er im Tiefschlaf einen Satz ganz deutlich ausgesprochen: » Alle G.I. Joes.« Ev war ein Schauder über den Rücken gelaufen. Das hatte er immer wieder geschrien, als alle aus dem Haus gerannt kamen und feststellten, dass David verschwunden und Hilly hysterisch war.
    Am darauffolgenden Tag hatte Hilly vierzehn Stunden geschlafen und schien während seiner benommenen Wachperiode noch verwirrter zu sein. Als die Kinderpsychologin, die sich seines Falles angenommen hatte, ihn nach seinem zweiten

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