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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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nicht traute ihn loszulassen?
    Du könntest etwas wegen dem Boiler unternehmen, Bobbi, sagte eine Stimme in ihrem Verstand, eine, die sie nicht identifizieren konnte. Die Stimme eines Fremden in ihrem Kopf? Meine Güte, sollte sie die Polizei rufen? Aber du könntest es, beharrte die Stimme. Du müsstest nur …

    Aber dann wurde das Wasser endlich warm – jedenfalls lauwarm –, und sie vergaß den Boiler. Sie rührte das Gravy Train um, dann setzte sie sich und sah Peter beim Fressen zu. Er zeigte neuerdings einen viel besseren Appetit.
    Du solltest dir seine Zähne ansehen, dachte sie. Vielleicht kannst du zu Gaines Meal zurückkehren. Ein Penny gespart ist ein Penny verdient, und die amerikanischen Leser stehen nicht gerade vor deiner Tür Schlange, Baby. Und …
    Und wann genau hatte der Aufruhr in der Klinik begonnen?
    Anderson dachte sorgfältig darüber nach. Sie war sich nicht völlig sicher, aber je länger sie darüber nachdachte, desto mehr war sie davon überzeugt, dass es – nicht ganz sicher, aber möglicherweise –, passiert war, direkt nachdem Dr. Etheridge Peters grauen Star untersucht und das Ophthalmoskop weggelegt hatte.
    Obacht, Watson, sagte plötzlich die Stimme von Sherlock Holmes in der raschen, beinahe drängenden Sprechweise von Basil Rathbone. Das Auge leuchtet. Nein … nicht das Auge; der graue Star leuchtet. Aber Anderson bemerkt es nicht, obwohl sie es bemerken sollte. Etheridge bemerkt es nicht, obwohl er es unbedingt bemerken sollte. Behaupten wir einmal, dass die Tiere in der Tierklinik erst aus dem Häuschen geraten, als Peters grauer Star zu leuchten beginnt … wenn, wie wir spekulieren könnten, der Heilungsprozess wieder eingesetzt hat? Möglich. Dass man das Leuchten nur sehen kann, wenn das Sehen mit keiner Gefahr verbunden ist? Ah, Watson, diese Vermutung ist ebenso beängstigend wie ungerechtfertigt. Denn das wäre ein Indiz für eine Art …
    … eine Art Intelligenz.
    Anderson gefiel die Richtung nicht, in die das führte, und
daher würgte sie es mit dem alten und zuverlässigen Ratschlag ab: Lass es sein.
    Diesmal funktionierte es.
    Eine Zeit lang.
    2
    Anderson wollte hinausgehen und noch etwas graben.
    Ihrem Vorderhirn gefiel dieser Gedanke überhaupt nicht.
    Ihr Vorderhirn war der Meinung, dieser Gedanke wäre beschissen.
    Lass es in Ruhe, Bobbi. Es ist gefährlich.
    Richtig.
    Und, übrigens, wie wirkt das Ding denn auf dich?
    Es hatte keine Wirkung, die sie sehen konnte. Aber man konnte auch nicht sehen, was Zigarettenrauch der Lunge antat; darum rauchten die Menschen weiter. Es konnte sein, dass ihre Leber verfaulte, dass ihre Herzkammern mit Cholesterin verschlammten, oder dass es sie unfruchtbar gemacht hatte. Nach allem, was sie wusste, war es durchaus möglich, dass ihr Rückenmark genau in diesem Augenblick wie verrückt entartete weiße Blutkörperchen produzierte. Warum sich mit einer verfrühten Periode abgeben, wo du doch etwas wirklich Interessantes haben könntest, zum Beispiel Leukämie, Bobbi?
    Aber sie wollte es trotzdem ausgraben.
    Dieser simple und elementare Drang hatte nichts mit ihrem Vorderhirn zu tun. Er kam von einem tiefer gelegenen Ort. Er hatte alle Anzeichen eines körperlichen Bedürfnisses – nach Salz, nach Koks oder Heroin oder Zigaretten oder Kaffee. Ihr Vorderhirn lieferte die Logik; dieser andere
Teil lieferte einen damit nahezu nicht zusammenhängenden Befehl: Grab es aus, Bobbi, ist schon recht, grab es aus, grab es aus, Scheiße, warum gräbst du nicht noch eine Weile, du weißt doch, du möchtest wissen, was es ist, also grab, bis du siehst, was es ist, grab, grab, grab …
    Es gelang ihr, die Stimme mittels einer bewussten Anstrengung abzuschalten; fünfzehn Minuten später lauschte sie ihr wieder wie einem delphischen Orakel.
    Du solltest jemandem sagen, was du gefunden hast.
    Wem? Der Polizei? Hmm-hm. Auf keinen Fall. Oder …
    Oder wem?
    Sie war im Garten und jätete wie besessen … ein Junkie auf Entzug.
    … oder irgendeiner öffentlichen Stelle, vollendete ihr Verstand.
    Ihre rechte Gehirnhälfte lieferte Annes sarkastisches Gelächter, womit sie gerechnet hatte, aber das Gelächter hatte keine so hohe Eindringlichkeit, wie sie befürchtet hatte. Wie viele ihrer Generation hatte Anderson mit der Maxime, »sollen die öffentlichen Stellen sich darum kümmern« nicht viel am Hut. Ihr Misstrauen gegenüber der Art und Weise, wie Behörden sich um Sachen kümmerten, war im Alter von dreizehn Jahren in Utica entstanden.

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