Das Monstrum
Anderson anrufen und fragen, ob sie mitgehen wollte, ein paar kühle Blonde kippen, und das war prächtig. Kein Problem.
Dann kam unweigerlich ein Morgen wie dieser, an dem er aufstand und allen Stoff der Welt wollte. Das schien ein wahrhaftiger Durst zu sein, etwas Körperliches – er musste dabei an die Cartoons von Virgil Partch für die Saturday Evening Post denken, auf denen immer ein verzweifelter alter Prospektor mit hängender Zunge durch die Wüste kriecht und nach einem Wasserloch Ausschau hält.
Wenn dieser Drang über ihn kam, konnte er nur dagegen ankämpfen – ihn aussitzen, versuchen, sich ein Unentschieden zu verdienen. Manchmal war es tatsächlich besser, an einem Ort wie Boston zu sein, wenn das passierte, denn dort konnte man jeden Abend zu einer Versammlung gehen – alle vier Stunden, wenn es nötig sein sollte. Nach drei oder vier Tagen ließ es nach.
Normalerweise.
Er dachte, er würde es einfach aussitzen. In seinem Zimmer hocken und sich Filme im Kabelfernsehen anschauen
und sie dem Zimmerservice anschreiben lassen. Die acht Jahre seit seiner Scheidung und der Entlassung vom College hatte er als freier Schriftsteller verbracht – was bedeutete, dass er in einer seltsamen kleinen Untergesellschaft lebte, in der Tauschhandel meistens wichtiger war als Geld.
Er hatte Gedichte gegen Lebensmittel getauscht: einmal ein Geburtstagssonett für die Frau eines Farmers gegen drei Supermarkttüten voll neuer Kartoffeln. »Das verdammte Ding sollte sich besser reimen«, hatte der Farmer gesagt und Gardener mit steinerner Miene angesehen. » Echte Gedichte reimen sich nämlich.«
Gardener, der einen Wink mit dem Zaunpfahl verstand (besonders wenn es um seinen Magen ging), dichtete ein Sonett, so voll von überschwänglich männlichen Reimen, dass er in brüllendes Gelächter ausbrach, nachdem er die zweite Fassung durchgelesen hatte. Er hatte Bobbi angerufen und es ihr vorgelesen, und dann hatten sie beide gewiehert. Laut vorgelesen war es sogar noch besser. Laut vorgelesen hörte es sich an wie ein Liebesbrief von Dr. Seuss. Dennoch hatte Bobbi ihn nicht darauf hinzuweisen brauchen, dass es ein Stück ernster Arbeit war, schrill, aber nicht herablassend.
Bei einer anderen Gelegenheit hatte sich ein Kleinverlag aus West Minot bereit erklärt, einen Gedichtband von ihm zu veröffentlichen (das war früh im Jahr 1983 gewesen, und es war das letzte Buch mit Gedichten gewesen, das Gardener veröffentlicht hatte) und hatte als Vorschuss einen halben Klafter Holz geboten. Gardener hatte akzeptiert.
»Du hättest auf einem Dreiviertel-Klafter bestehen sollen«, hatte Bobbi an diesem Abend zu ihm gesagt, als sie vor ihrem Kamin saßen, die Füße auf das Gitter gestützt,
und Zigaretten rauchten, während der Wind heulend frischen Schnee über die Felder und in die Bäume beförderte. »Es sind gute Gedichte. Und ziemlich viele.«
»Ich weiß«, hatte Gardener geantwortet, »aber mir war kalt. Mit einem halben Klafter komme ich bis zum Frühling aus.« Er hatte ihr zugeblinzelt. »Außerdem stammt der Bursche aus Connecticut. Ich glaube, er wusste nicht, dass das meiste davon Esche war.«
Sie ließ die Füße auf den Boden fallen und sah ihn an. »Du verarschst mich, oder?«
»Nein.«
Sie begann zu kichern, er küsste sie innig, und später brachte er sie ins Bett, und sie schliefen aneinandergekuschelt. Er erinnerte sich, dass er einmal aufgewacht war, dem Wind gelauscht und an die Finsternis und die heulende Kälte draußen und die Wärme dieses Bettes gedacht hatte, die sich friedlich unter zwei Decken staute, und er hatte sich gewünscht, es könnte immer so sein – aber nichts war je für immer. Man hatte ihn in dem Glauben erzogen, dass Gott Liebe war, aber man musste sich fragen, wie viel Liebe in einem Gott steckte, der Männer und Frauen so klug machte, dass sie auf dem Mond landen konnten, und gleichzeitig so dumm, dass sie die Erfahrung, dass nichts ewig währte, immer von Neuem machen mussten.
Am nächsten Tag hatte Bobbi ihm wieder Geld angeboten, und Gardener hatte wieder abgelehnt. Er schwamm nicht gerade in Geld, aber er kam durch. Und er konnte nichts gegen den kleinen Zornesfunken tun, den er trotz ihres sachlichen Tons empfand. »Weißt du nicht, wer nach einer Nacht im Bett das Geld zu bekommen hat?«, fragte er.
Sie streckte das Kinn vor. »Nennst du mich eine Hure?«
Er lächelte. »Brauchst du einen Zuhälter? Ich habe gehört, dass man damit Geld verdienen
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