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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Lichter im Haus brannten – offenbar hatte Central Maine Power die Sache wieder in den Griff bekommen. Sie ging in Socken durchs Haus und schaltete die Lichter aus, dann sah sie zum Vorderfenster hinaus. Peter war auf der Veranda. Anderson ließ ihn herein und betrachtete sein Auge genauer. Sie konnte sich an das Entsetzen der gestrigen Nacht erinnern, aber im hellen Sommertageslicht dieses Morgens war das Entsetzen Faszination gewichen. Jeder hätte Angst gehabt, dachte sie, der so etwas im Dunkeln gesehen hätte, ohne Strom, während draußen ein Gewitter Himmel und Erde umkrempelte.
    Warum, zum Teufel, hatte Etheridge das nicht gesehen?
    Die Frage war nicht schwer zu beantworten. Das Zifferblatt einer Uhr leuchtet bei Tag und im Dunkeln; im hellen Licht kann man das Leuchten nur nicht sehen. Sie war ein wenig überrascht, dass sie das grüne Leuchten in Peters Auge in den vorhergegangenen Nächten nicht mitbekommen hatte, aber kaum verblüfft – schließlich hatte sie ein paar Tage gebraucht, um überhaupt festzustellen, dass der graue Star schrumpfte. Und dennoch … Etheridge war ganz nahe daran gewesen, oder? Etheridge war mit dem alten Ophthalmoskop genau an dieser Stelle gewesen, als er in Peters Auge geschaut hatte.

    Er hatte mit Anderson übereingestimmt, dass der graue Star zurückging … aber er hatte kein Leuchten erwähnt, weder grün noch sonst wie.
    Vielleicht hat er es gesehen und beschlossen, es zu übersehen. Wie er bemerkt hat, dass Peter jünger aussieht, und beschlossen hat, es nicht zu sehen. Weil er es nicht sehen wollte.
    Es gab einen Teil in ihr, der den neuen Tierarzt nicht besonders mochte; wahrscheinlich lag es daran, dass sie den alten Doc Daggett sehr gern gemocht hatte und daher von der närrischen (aber offenbar unvermeidlichen) Annahme ausgegangen war, Daggett würde so lange hier sein wie sie und Peter. Aber das war ein alberner Grund, um Feindseligkeit für den Nachfolger des alten Mannes zu empfinden, und selbst wenn Etheridge Peters offensichtliche Verjüngung nicht bemerkt hatte (oder dies verweigert hatte), änderte das nichts an der Tatsache, dass er ein kompetenter Tierarzt zu sein schien.
    Ein grauer Star, der grün leuchtete … sie glaubte nicht, dass er so etwas übersehen hätte.
    Was sie zu der Schlussfolgerung führte, dass das grüne Leuchten nicht da gewesen war, sodass Etheridge es nicht sehen konnte.
    Wenigstens nicht gleich.
    Anfangs war es auch nicht zum großen Tohuwabohu gekommen, oder? Nicht, als sie hereingekommen waren. Nicht während der Untersuchung. Erst als sie sich bereit machte wieder hinauszugehen.
    Hatte Peters Auge da angefangen zu leuchten?
    Anderson goss Gravy Train in Peters Schüssel, hielt die linke Hand unter den Wasserhahn, wartete darauf, dass warmes Wasser kam, damit sie es anfeuchten konnte. Das Warten dauerte länger und länger. Ihr Boiler war langsam,
defekt, hoffnungslos veraltet. Anderson hatte ihn auswechseln lassen wollen – würde es sicherlich tun müssen, bevor das kalte Wetter kam –, aber der einzige Klempner in Haven und den Dörfern nördlich und südlich von Haven war ein recht unangenehmer Zeitgenosse namens Delbert Chiles, der sie immer ansah, als wüsste er genau, wie sie unbekleidet aussah (nicht besonders, sagten seine Augen, aber ich denke, ich würde einen reinschieben), und der sie ständig fragte, ob Anderson »in letzter Zeit irgendwelche neuen Bücher schriebe«. Chiles erzählte ihr gern, dass er selbst ein verdammt guter Schriftsteller hätte sein können, aber er hätte zu viel Energie und »nicht genügend Leim auf dem Hosenboden, kapiert?«. Das letzte Mal, als sie gezwungen gewesen war ihn zu rufen, war, als im vorletzten Winter bei einem Kälteeinbruch von minus zwanzig Grad die Wasserleitungen geplatzt waren. Nachdem er alles in Ordnung gebracht hatte, hatte er sie gefragt, ob sie einmal mit ihm »das Tanzbein schwingen« wollte. Anderson hatte höflich abgelehnt, und Chiles hatte sie mit einem Ausdruck bedacht, der weltmännisches Wissen andeuten sollte und dem nicht viel an Dummdreistigkeit fehlte. »Sie wissen nicht, was Ihnen entgeht, Süße«, hatte er gesagt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es doch weiß, darum habe ich ja Nein gesagt, hatte ihr auf der Zunge gelegen, aber sie hatte nichts gesagt – sie mochte ihn zwar nicht, wusste aber, dass sie Chiles wieder einmal brauchen könnte. Woran lag es, dass einem im wahren Leben so ein richtiger Hammer immer nur dann einfiel, wenn man sich

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