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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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andere Stationen, die sich in diesen Sender mischten. Er runzelte die Stirn. Das kam manchmal nachts vor, wenn die Atmosphäre abkühlte und Ultrakurzwellen weiter reichen konnten, aber er hatte noch nie gehört, dass es am frühen Morgen geschah, nicht einmal während der Zeiträume optimaler Radiowellenübertragung, die Funker im Allgemeinen bevorzugen.
    Er drehte den Tuner des Radios und war verblüfft, wie viele verschiedenartige Sendungen aus den Lautsprechern drangen – Rock and Roll, Country und klassische Musik drängten sich förmlich übereinander. Irgendwo im Hintergrund konnte er Paul Harvey hören, der Amway anpries. Er drehte den Knopf noch weiter und bekam eine so klare Übertragung, dass er rechts ranfuhr. Er sah das Radio mit aufgerissenen Augen an.
    Es sprach Japanisch.
    Er saß da und wartete auf die unausweichliche Klarstellung – »Das ist Lektion Eins von Japanisch für Anfänger, präsentiert von Ihrem örtlichen Kyanize-Farbenhändler«, oder etwas Ähnliches. Der Sprecher kam zum Ende. Dann folgten die Beach Boys mit »Be True to Your School«. Auf Japanisch.
    Mit einer zitternden Hand am Tuner arbeitete sich Leandro weiter das Kilohertzband entlang. Es war überall dasselbe. Wie nachts wurde der Wirrwarr von Stimmen und Musik größer, als er in die höheren Frequenzen kam. Schließlich wurde der Wirrwarr so stark, dass er es mit der Angst bekam – das war das Audio-Äquivalent einer wimmelnden Schlangenbrut. Er schaltete das Radio aus und saß hinter dem Lenkrad, die Augen aufgerissen, mit einem leichten Surren im Körper, wie ein Mann auf schlechtem Speed.
    Was ist das?
    Blödsinn, darüber zu spekulieren, wenn die Antwort
kaum sechs Meilen entfernt war … natürlich immer vorausgesetzt, dass er sie finden konnte.
    Oh, ich glaube, du wirst sie finden. Sie wird dir vielleicht nicht gefallen, wenn es so weit ist, aber ich glaube schon, dass du sie finden wirst.
    Leandro sah sich um. Das Gras auf der Wiese zu seiner Rechten war lang und verfilzt. Zu lang und verfilzt für August. Es war im Juli überhaupt nicht gemäht worden. Irgendwie glaubte er auch nicht, dass es im August gemäht werden würde. Er sah nach links und erblickte eine baufällige, von einem Durcheinander rostiger Autoteile umgebene Scheune. Im Maul der Scheune verrottete der Leichnam eines 57er Studebaker. Die Fenster schienen Leandro anzustarren. Menschen starrten ihn nicht an; jedenfalls konnte er keine sehen.
    Eine sehr leise, sehr höfliche Stimme meldete sich in seinem Inneren, die Stimme eines Kindes bei einer Teeparty, die ihm ausgesprochen unheimlich geworden ist:
    Ich möchte bitte nach Hause.
    Ja. Heim zu Muttern. Rechtzeitig heim, um die nachmittäglichen Seifenopern mit ihr anzusehen. Sie würde froh sein, ihn mit seinem Knüller wiederzuhaben, und vielleicht noch glücklicher ohne ihn. Sie würden dasitzen und Kekse essen und Kaffee trinken. Sie würden sich unterhalten. Besser gesagt, sie würde reden, und er würde zuhören. So war es immer, und das war wirklich nicht so schlimm. Manchmal konnte sie eine Plage sein, aber sie war …
    Sicher.
    Sicher, ja. Das war es. Sicher. Und was auch immer an diesem verschlafenen Sommernachmittag südlich von Troy vor sich gehen mochte, war ganz bestimmt nicht sicher.
    Ich möchte bitte nach Hause.
    Richtig. Wahrscheinlich hatten sich Woodward und
Bernstein manchmal auch so gefühlt, wenn Nixons Leute sie echt in die Mangel genommen hatten. Bernard Fall hatte sich wahrscheinlich so gefühlt, als er in Saigon zum letzten Mal aus dem Flugzeug stieg. Wenn man die Fernsehkorrespondenten in Krisenherden wie dem Libanon und Teheran sah, dann sahen sie nur so aus, als wären sie kühl, gefasst und ruhig. Die Zuschauer hatten ja nie die Gelegenheit, ihre Unterhosen zu kontrollieren.
    Die Story wartet dort draußen, und ich werde sie kriegen, und wenn ich meinen Pulitzerpreis in Empfang nehme, dann kann ich sagen, dass ich alles David Bright verdanke … und meiner geheimen Superman-Armbanduhr.
    Er legte den Gang des Dodge wieder ein und fuhr weiter in Richtung Haven.
    6
    Er war noch keine Meile weit gekommen, da wurde ihm übel. Er hielt es für ein körperliches Symptom seiner Angst und achtete nicht weiter darauf. Als es dann schlimmer wurde, fragte er sich (wie man es gern tut, wenn man feststellt, dass die Übelkeit, die einem wie eine kleine dunkle Wolke im Magen sitzt, nicht weggeht), was er gegessen hatte. Aber in dieser Richtung konnte er die Ursache nicht finden. Als

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