Das Monstrum
Bist du bereit, Rocky?
Bereit für das hier? Das soll wohl ein Witz sein?
Er stand auf, drehte sich um, sah die Ausrüstung in Bobbis Armen, dann das leise Lächeln in Bobbis Gesicht. Da lag etwas Wissendes in diesem Lächeln, das ihm gar nicht gefiel.
»Was Komisches gesehen?«, fragte er.
» Gehört. Dich gehört, Gard. Du hast an alte Gefängnisfilme gedacht«, sagte Bobbi. »Und dann hast du gedacht: ›Bereit für das hier? Das soll wohl ein Witz sein?‹ Ich habe alles empfangen, und das kommt sehr selten vor … es sei denn, du sendest ganz bewusst. Darum habe ich gelächelt.«
»Du hast spioniert.«
»Ja. Und es wird immer leichter«, sagte Bobbi, immer noch lächelnd.
Hinter seinem zusammenbrechenden Gedankenschirm dachte Gardener: Ich habe jetzt einen Revolver, Bobbi. Er ist unter meinem Bett. Ich habe ihn mir aus der Ersten
Reformierten Kirche der Tommyknockers geholt. Das war gefährlich – aber noch gefährlicher wäre es, nicht genau zu wissen, wie weit Bobbis Fähigkeit zu »spionieren« bereits ging.
Bobbis Lächeln wurde ein wenig unsicher. »Was war das?«, fragte sie.
»Erzähl du es mir«, sagte er, und als ihr Lächeln einem verkniffenen, argwöhnischen Ausdruck wich, fügte er leichthin hinzu: »Komm schon, Bobbi, ich wollte dich nur ein bisschen auf den Arm nehmen. Ich habe mir nur überlegt, was du da hast.«
Bobbi brachte die Ausrüstung zu ihm. Zwei Mundstücke von Gummischnorcheln waren mit Tanks und selbst gebastelten Atemreglern verbunden.
»Die benutzen wir«, sagte sie. »Wenn wir hineingehen.«
Hinein.
Schon das bloße Wort entzündete einen heißen Funken in seinem Magen und löste die widerstreitendsten Gefühle aus – Ehrfurcht, Entsetzen, Vorfreude, Neugier, Anspannung. Ein Teil von ihm fühlte sich wie ein abergläubischer Eingeborener, der dabei ist, eine Tabuzone zu betreten; der Rest fühlte sich wie ein Kind am Weihnachtsmorgen.
»Also ist die Luft im Inneren doch anders«, sagte Gardener.
»Nicht sehr viel.« Bobbi hatte ihr Make-up heute Morgen achtlos aufgetragen; vielleicht war sie zu der Überzeugung gelangt, dass es nicht mehr nötig war, ihre immer schnellere körperliche Verwandlung vor Gardener zu verbergen. Gard stellte fest, dass er sehen konnte, wie sich Bobbis Zunge beim Sprechen in ihrem Kopf bewegte … aber sie sah eigentlich nicht mehr wie eine Zunge aus. Und Bobbis Pupillen wirkten größer, aber irgendwie flimmernd und unstet, als würden sie von unter Wasser aus zu ihm hinaufblicken.
Wasser mit einem leichten Grünstich. Er spürte, wie sich ihm der Magen umdrehte.
»Nicht sehr viel anders«, sagte sie. »Nur … verdorben.«
»Verdorben?«
»Das Schiff ist seit mehr als fünfundzwanzigtausend Jahrhunderten versiegelt«, sagte Bobbi. » Vollkommen versiegelt. Die ausströmende schlechte Luft würde uns in dem Augenblick umbringen, in dem wir die Luke öffnen. Daher benutzen wir die hier.«
»Was ist denn da drin?«
»Nur gute alte Haven-Luft. Die Tanks sind klein – vierzig, vielleicht fünfzig Minuten Luft. Man macht sie so am Gürtel fest, siehst du?«
»Ja.«
Bobbi hielt ihm eine der Ausrüstungen hin. Gard befestigte den Tank an seinem Gürtel. Er musste dabei das T-Shirt hochziehen, und er war sehr froh, dass er beschlossen hatte, die .45er vorläufig noch unter der Matratze zu lassen.
»Nimm die Luft erst, kurz bevor ich aufmache«, sagte Bobbi. »Ach ja, eh ich’s vergesse. Hier. Nur für den Fall, dass du es vergisst.« Sie reichte Gardener ein Paar Nasenstöpsel. Gard steckte sie in die Tasche seiner Jeans.
»Also!«, sagte Bobbi munter. »Fertig?«
»Wir gehen wirklich rein?«
»Wirklich«, sagte Bobbi beinahe zärtlich.
Gardener lachte zittrig. Seine Hände und Füße waren kalt. »Ich bin verdammt aufgeregt«, sagte er.
Bobbi lächelte. »Ich auch.«
»Außerdem habe ich Angst.«
Bobbi sagte mit derselben zärtlichen Stimme: »Nicht nötig, Gard. Es wird alles gut werden.«
Etwas in ihrem Tonfall machte Gardener mehr Angst als alles andere.
2
Sie nahmen den Tomcat und schwebten leise durch den toten Wald; das einzige Geräusch war das Summen der Batterien. Keiner sagte etwas.
Bobbi parkte den Tomcat beim Unterstand, dann standen sie einen Augenblick da und betrachteten die silberne Scheibe, die aus dem Boden herausragte. Die Morgensonne spiegelte sich in einem reinen, breiter werdenden Keil darauf.
Hinein, dachte Gardener wieder.
»Bist du bereit?«, fragte Bobbi nochmals. Komm schon, Rocky – nur ein
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