Das Monstrum
Rückwärtsgang ein und fuhr von einer Seite zur anderen ausscherend unsicher die Straße entlang, den rechten Arm um den Vordersitz gelegt, Blut quoll ihm aus der Nase und tropfte auf die Schulter seines Hemdes, während er mit tränenden Augen zur Heckscheibe hinaussah.
Er fuhr beinahe eine Meile rückwärts, dann wendete er in einer Einfahrt. Er sah an sich selbst hinab. Sein Hemd war vollgesogen mit Blut. Aber er fühlte sich besser. Ein wenig besser, schränkte er ein. Aber er zögerte dennoch nicht; er fuhr zurück nach Troy und hielt vor dem Supermarkt an.
Er ging hinein und rechnete damit, dass die übliche Versammlung alter Männer mit stummer Yankee-Überraschung sein blutiges Hemd anstarren würde. Aber es war nur der Inhaber da, und der sah überhaupt nicht überrascht aus – nicht wegen des Blutes und nicht wegen Leandros Frage, ob er T-Shirts vorrätig hätte.
»Sieht aus, als hätte Ihre Nase ein bisschen geblutet«,
sagte der Inhaber gelassen und zeigte Leandro eine Auswahl T-Shirts. Eine ungewöhnlich große Auswahl für so einen kleinen Laden, dachte Leandro – er bekam sich langsam wieder in den Griff, obwohl er immer noch Kopfschmerzen hatte und sein Magen sich immer noch sauer und instabil anfühlte. Der Blutstrom aus seiner Nase hatte ihm sehr große Angst gemacht.
»Könnte man sagen«, sagte Leandro. Er ließ den alten Mann die T-Shirts durchgehen, denn an seinen Händen trocknete immer noch Blut. Sie waren in den Größen S, M, L und XL. WO ZUM TEUFEL IST TROY, MAINE? stand auf einigen. Auf anderen war ein Hummer abgebildet, darunter der Slogan: DAS BESTE STÜCK SCHWANZ, DAS ICH JE HATTE, BEKAM ICH IN TROY, MAINE. Auf anderen befand sich eine riesige schwarze Stechmücke, die wie ein Ungeheuer aus dem Weltall aussah. THE MAINE STATE BIRD stand auf diesen.
»Sie haben aber echt ’ne Menge T-Shirts«, sagte Leandro und deutete auf eines mit dem Spruch WO ZUM TEUFEL, Größe M. Er fand das mit dem Hummer lustiger, glaubte aber nicht, dass seine Mutter besonders viel davon halten würde.
»Mhm«, sagte der Inhaber. »Muss eine Menge haben. Verkaufe eine Menge.«
»An Touristen?« Leandros Verstand lief bereits voraus und versuchte zu erraten, was als Nächstes kam. Er hatte geglaubt, etwas Gewaltigem auf der Spur zu sein; jetzt glaubte er, dass es viel gewaltiger war, als selbst er sich hatte vorstellen können.
»Ein paar«, sagte der Inhaber, »aber diesen Sommer waren nicht viele hier. Die meisten verkauf ich an Leute wie Sie.«
»Wie ich?«
»Mhm. Leute mit Nasenbluten.«
Leandro starrte den Inhaber an.
»Ihre Nasen bluten, sie ruinieren sich die Hemden. So, wie Sie Ihres ruiniert haben. Sie brauchen ein neues, und wenn es Leute aus der Gegend sind – wie Sie, nehm ich an –, dann haben sie kein Gepäck und nichts zum Wechseln dabei. Also halten sie schnellstmöglich an und kaufen sich ein neues. Ich kann es ihnen nicht verdenken. Wenn ich in einem Hemd rumlaufen würde, das so blutig ist wie Ihres, müsste ich kotzen. Ich sag Ihnen, ich hatte diesen Sommer Frauen hier – hübsche Frauen und prächtig herausgeputzt – , die rochen wie Eingeweide in einem Schweinestall. «
Der Inhaber kicherte und präsentierte dabei einen Mund, der völlig zahnlos war.
Leandro sagte langsam: »Damit ich das richtig verstehe. Es kommen noch andere Leute mit Nasenbluten aus Haven zurück? Nicht nur ich?«
»Nur Sie? Verdammt, nein! Scheißdreckundnocheinsdrauf! An dem Tag, als sie Ruth McCausland begraben haben, hab ich fünfzehn T-Shirts verkauft. An einem Tag! Ich hab mir schon überlegt, ob ich mich mit den Einnahmen zur Ruhe setze und nach Florida ziehe.« Der Inhaber gackerte erneut.
»Und sie kamen alle von außerhalb.« Er sagte das, als würde es alles erklären – und in seinem Denken tat es das vielleicht auch. »Ein paar bluteten noch, als sie reinkamen. Nasen wie Springbrunnen! Manchmal auch die Ohren. Scheißdreckundnocheinsdrauf!«
»Und niemand weiß etwas davon?«
Der alte Mann sah Leandro mit weisen Augen an.
» Sie wissen es, Söhnchen«, sagte er.
Kapitel sechs
Im Innern des Schiffes
1
»Bist du bereit, Gard?«
Gardener saß auf der Veranda und sah über die Route 9. Die Stimme kam von hinter ihm, und es war leicht – zu leicht – für ihn, nicht an Hunderte billiger Gefängnisfilme zu denken, in denen der Wärter kommt, um den Verurteilten auf seinem letzten Gang zu begleiten. Solche Szenen fingen selbstverständlich immer damit an, dass der Wärter knurrte:
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