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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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auf dem Wellenbrecher nur überlebt hatte, um am Morgen danach an einer Embolie zu sterben.
    Die Schmerzen ließen ein wenig nach, und die Welt kam aus dem grauen Nebel zurück, in den sie zurückgewichen war. Er konnte begreifen, in welch einem erbärmlichen Zustand er sich befand. Es war das, was Bobbi Anderson zweifellos als einen »Ganzkörpertrip« bezeichnet hätte, wie in Genieße den Ganzkörpertrip, Jim. Was kann besser sein als das, was du nach einer Nacht im Auge des Zyklons empfindest?
    Einer Nacht? Einer Nacht?
    Keinesfalls, Baby. Dies war eine Sauftour. Die richtig beschissene Sache.
    Sein Magen fühlte sich übersäuert und aufgebläht an. Sein Rachen und seine Nebenhöhlen waren von alter Kotze verkrustet. Er sah nach links, und, war ja klar, ein wenig über ihm, wahrscheinlich an seiner ursprünglichen Position, da war sie, die Signatur des Säufers – ein großer dicker Flatschen trocknender Kotze.
    Gardener wischte sich mit einer zitternden, schmutzigen Hand unter der Nase und sah Flocken geronnenen Blutes. Er hatte Nasenbluten gehabt. Seit seinem Skiunfall am Sunday River, als er siebzehn Jahre gewesen war, bekam er es ab und zu. Er konnte fast sicher mit Nasenbluten rechnen, wenn er getrunken hatte.
    Am Ende all seiner früheren Zechtouren – und dies war seit fast drei Jahren das erste Mal, dass er es volle Sau durchgezogen hatte – hatte Gardener das empfunden, was er jetzt empfand: eine Übelkeit, die tiefer reichte als der pochende Brummschädel, der Magen wie ein mit Säure vollgesogener
Schwamm, die Schmerzen, die zitternden Muskeln. Diese tiefe Übelkeit konnte man nicht einmal Depression nennen – es war ein Gefühl völligen Untergangs.
    Dies war das Schlimmste von allem, noch schlimmer als die Depression, die auf sein berühmtes Thanksgiving-Gelage des Jahres 1980 gefolgt war, welches seine Lehrerlaufbahn und seine Ehe beendet hatte. Es hatte auch Noras Leben fast beendet. Damals war er im Bezirksgefängnis von Penobscot zu sich gekommen. Vor der Zelle saß ein Deputy, las eine Ausgabe der Zeitschrift Crazy und bohrte in der Nase. Gardener erfuhr später, dass alle Polizeistellen davon wussten, dass Trinker nach einer Zechtour manchmal mit tiefen Depressionen zu sich kommen. Wenn ein Mann zur Verfügung steht, dann behält dieser einen normalerweise im Auge, damit gewährleistet ist, dass man nicht in den Sack haut … zumindest nicht, bis man seine Kaution gezahlt und den öffentlichen Grund verlassen hat.
    »Wo bin ich?«, hatte Gardener gefragt. »Wo glauben Sie denn, wo Sie sind?«, fragte der Deputy. Er betrachtete den großen grünen Rotzklumpen, den er sich gerade aus der Nase gepult hatte, dann wischte er ihn langsam und mit offensichtlichem Behagen an der Schuhsohle ab, trat fest auf und schmierte ihn über den dunklen Schmutz. Gardener war außerstande gewesen, den Blick von diesem Vorgang abzuwenden; ein Jahr später hatte er ein Gedicht darüber geschrieben.
    »Was habe ich getan?«
    Von gelegentlichen Bruchstücken abgesehen, waren die beiden vergangenen Tage völlig schwarz gewesen. Die Bruchstücke waren zusammenhanglos, wie Wolken, die hin und wieder einen Sonnenstrahl durchließen, während ein Gewitter aufzog. Er hatte Nora eine Tasse Tee gebracht und dann angefangen, sich über die Kernkraftwerke auszulassen.
Ave Kernkraftwerka eterna . Wenn er starb, dann würde sein letztes Wort in diesem ganzen verdammten Schlamassel nicht Rosebud lauten, sondern Kernkraftwerk. Er konnte sich daran erinnern, dass er in der Auffahrt vor seinem Haus gestürzt war. Er hatte sich eine Pizza geholt und war so betrunken gewesen, dass ihm Fäden geschmolzenen Käses ins Hemd fielen und seine Brust verbrannten. Er konnte sich erinnern, dass er Bobbi angerufen hatte. Er hatte sie angerufen und ihr stammelnd etwas erzählt, etwas Grässliches, und hatte Nora geschrien? Geschrien?
    »Was habe ich getan?«, fragte er drängender.
    Der Deputy sah ihn einen Augenblick mit unverhohlener Verachtung an. »Ihre Frau angeschossen. Das haben Sie getan. Verdammt starke Sache, ne?«
    Der Deputy hatte sich wieder seinem Crazy -Heft zugewandt.
    Das war schlimm gewesen, dies war schlimmer. Das bodenlose Gefühl der Selbstverachtung, die grässliche Gewissheit, dass man üble Dinge getan hatte, an die man sich nicht erinnern konnte. Nicht ein paar Gläser Champagner zu viel auf der Silvesterparty, wo du dir einen Lampenschirm auf den Kopf gestülpt und dann einen Boogie durchs Zimmer getanzt hast,

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