Das Monstrum

Arberg seinen Unanständigkeits-Anfall überwunden hatte und abermals versuchen wollte, ihn hinauszuprügeln.
    Es war nicht Arberg. Es war Ron. Er wirkte ruhig – aber in seinem Gesicht war etwas, etwas Schreckliches. War es Mitleid? Ja, Gardener sah, dass es das war.
    Plötzlich wollte er den Schirm nicht mehr. Er warf ihn weg. Abgesehen von Gardeners raschem Atmen und Teds schluchzendem Keuchen war es still im Esszimmer. Das umgestürzte Buffet lag in einer Pfütze aus Tischtuch, zerschelltem Porzellan, zersplittertem Kristall. Der Geruch verschütteten Rumpunschs stieg zu einem Nebel auf, der die Augen zum Tränen brachte.
    »Patricia McCardle ist am Telefon und redet mit der Polizei«, sagte Ron, »und wenn es sich um Back Bay handelt, wird sie schnell hier sein. Du solltest dich schleunigst verdrücken, Jim.«

    Gardener sah sich um und erblickte Grüppchen der Partybesucher, die an den Wänden und auf den Schwellen standen und ihn mit großen, ängstlichen Augen ansahen. Morgen werden sie sich nicht mehr erinnern, ob es um Kernenergie oder William Carlos Williams ging oder darum, wie viel Engel auf einem Stecknadelkopf tanzen können, dachte er. Die Hälfte von ihnen wird der anderen Hälfte erzählen, dass ich seine Frau angemacht habe. Es war nur der gute alte spaßige, ehefrauenanschießende Jim Gardener, der verrückt geworden ist und mit einem Schirm die Scheiße aus einem Burschen rausgeprügelt hat. Und der außerdem einer Frau ein Pint Chivas zwischen die klitzekleinen Titten schüttete, die ihm einen Job verschaffte, als er keinen hatte. Kernenergie, was hatte denn das damit zu tun?
    »Was für ein gottloses Fiasko«, sagte er heiser zu Ron.
    »Quatsch, die werden noch jahrelang davon reden«, sagte Ron. »Die beste Lesung, die sie je gehört haben, gefolgt von der besten Partysensation, die sie je gesehen haben. Und jetzt komm in Gang. Bring deinen Arsch nach Maine. Ich ruf dich an.«
    Ted der Strom-Mann machte mit aufgerissenen, tränenverschleierten Augen einen Ausfallschritt in seine Richtung. Zwei junge Männer – einer davon war der Barkeeper – hielten ihn zurück.
    »Auf Wiedersehen«, sagte Gardener zu den Partygästen. »Danke für den reizenden Abend.«
    Er ging zur Tür, dann drehte er sich noch einmal um.
    »Und wenn Sie alles vergessen – denken Sie wenigstens an die Leukämie und die Kinder. Denken Sie daran …«
    Aber das, woran sie sich erinnern würden, war, wie er Ted mit dem Schirm verprügelt hatte. Er sah es ihren Gesichtern an.
    Gardener nickte und ging zur Diele, vorbei an Arberg,
der sich immer noch die Brust hielt und die Lippen öffnete und schloss. Gardener sah nicht zurück. Er kickte die verstreut herumliegenden Schirme beiseite, öffnete die Tür und trat in die Nacht hinaus. Er wollte einen Drink, mehr als je zuvor in seinem Leben, und er vermutete, dass er einen gefunden haben musste, denn das war, als er in den Bauch des großen Fisches stürzte, und die Schwärze ihn verschluckte.

Kapitel sechs
Gardener auf den Steinen
    1
    Kurz nach Anbruch der Dämmerung am Morgen des 4. Juli 1988 erwachte Gardener – besser gesagt, er kam zu sich – am Ende des Wellenbrechers, der sich nicht weit vom Arcadia Funworld Amusement Park in Arcadia Beach, New Hampshire, in den Atlantik hinausschiebt. Nicht dass Gardener in dem Augenblick gewusst hätte, wo er sich befand. Er wusste kaum etwas, abgesehen von seinem Namen, der Tatsache, dass er am ganzen Körper Schmerzen empfand und der nicht ganz so wichtigen Tatsache, dass er in der Nacht offenbar beinahe ertrunken wäre.
    Er lag auf der Seite, seine Füße hingen ins Wasser. Er vermutete, dass er in der vergangenen Nacht hier alleingelassen herausspaziert war, aber er hatte sich offenbar im Schlaf herumgedreht und war an der geneigten Nordseite des Wellenbrechers hinabgerutscht … und jetzt kam die Flut. Wäre er nur eine halbe Stunde später aufgewacht, hätte es gut sein können, dass er einfach von den Steinen des Wellenbrechers weggetrieben wäre, so wie ein aufgelaufenes Schiff von einer Sandbank wegtreiben konnte.
    Einen seiner Treter hatte er immer noch an, aber er war runzlig und nutzlos. Gardener kickte ihn vom Fuß und sah gleichgültig zu, wie er in grüner Dunkelheit versank. Etwas, wo die Hummer reinscheißen können, dachte er und setzte sich auf.

    Die Schmerzen, die sich wie ein Bolzen in seinen Schädel bohrten, waren so intensiv, dass er einen Augenblick glaubte, er hätte einen Hirnschlag, dass er diese Nacht