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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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besser als je zuvor, dass sie eine Schießerei mit der James-Bande in Northfield hätte oder versuchte, mit Butch Cassidy und Sundance Kid das Weite zu suchen, und übrigens, Gard, was macht dein eigener Schweinehund, dann würde er sagen, dass es auch ihm prächtig ginge, dass er zur Abwechslung mal wieder etwas wirklich Gutes schriebe, dass er daran dächte, eine Weile nach Vermont zu gehen, ein paar alte Freunde zu besuchen. Dann würde er ans Ende des Wellenbrechers gehen und springen. Nichts Ausgefallenes; er würde einfach einen Bauchklatscher in die tote Zone machen, ins Nichts. Das schien angemessen zu sein; mit dieser Methode hatte er sich auch durchs Leben bewegt. Das Meer war schon seit Milliarden von Jahren da. Es würde noch fünf oder zehn Minuten warten, während er es tat.
    Aber du wirst sie nicht damit belasten, verstehst du mich? Kein Zusammenbrechen und Stammeln. Du bist ihr Freund, nicht das männliche Gegenstück zu ihrem Kotzkübel von Schwester. Keine solche Scheiße.
    Weiß Gott, er hatte schon oft in seinem Leben Versprechen gebrochen – ein paar Tausend, die er sich selbst gegeben hatte. Aber dieses würde er halten.
    Er kletterte unbeholfen auf die Spitze des Wellenbrechers. Es war uneben und steinig, der ideale Ort, um sich den Knöchel zu brechen. Er sah sich apathisch nach der abgewetzten
braunen Tasche um, die er immer bei sich hatte, wenn er zu einer Lesung reiste oder einfach nur herumstreifte; er dachte, sie könnte irgendwo zwischen den Steinen stecken. Tat sie nicht. Sie war ein mitgenommener, zerschlissener Veteran und stammte noch aus den letzten schwierigen Jahren seiner Ehe; sie war etwas, woran er hatte festhalten können, während ihm alle wertvollen Dinge abhandenkamen. Jetzt war also auch die Tasche weg. Kleidungsstücke, Zahnbürste, ein Stück Seife im Plastikbehälter, ein paar Streifen Dörrfleisch (manchmal machte es Bobbi Spaß, in ihrem Schuppen zu dörren), ein Zwanzigdollarschein unter der Bodeneinlage der Tasche … und natürlich all seine unveröffentlichten Gedichte.
    Die Gedichte freilich waren seine geringste Sorge. Diejenigen, die er während der letzten paar Jahre geschrieben und denen er den wunderbar geistreichen Titel »Der Strahlungs-Zyklus« gegeben hatte, waren bei fünf verschiedenen Verlagen eingereicht und von allen abgelehnt worden. Ein anonymer Lektor hatte darauf notiert: »Dichtung und Politik passen selten zusammen; Dichtung und Propaganda niemals.« Diese kleine Predigt entsprach eindeutig der Wahrheit, das wusste er … und hatte trotzdem nicht damit aufhören können.
    Nun, jetzt hatte die Flut den endgültigen Rotstift angesetzt. So gehe hin und tue desgleichen, dachte er und schleppte sich langsam auf dem Wellenbrecher entlang zum Strand, wobei ihm der Gedanke kam, dass seine Wanderung zu der Stelle, an der er erwacht war, besser als jeder todesverachtende Zirkusakt gewesen sein musste. Die Sommersonne stieg hinter ihm rot und aufgedunsen aus dem Atlantik, sein Schatten schleppte sich ihm voraus, und am Strand ließ ein Junge in Jeans und T-Shirt ein paar Kracher losgehen.
    2
    Ein Wunder: Seine Tasche war doch nicht verloren gegangen. Sie lag knapp oberhalb der Flutlinie umgekehrt am Strand, der Reißverschluss war offen. Gardener kam sie vor wie ein großes Ledermaul, das in den Sand biss. Er hob sie auf und sah hinein. Alles war fort. Sogar seine zerschlissene Unterhose. Er zog den Kunstlederboden hoch. Auch der Zwanziger war fort. Törichte Hoffnung, zu schnell dahin.
    Gardener ließ die Tasche fallen. Seine Notizbücher lagen alle drei ein Stück weiter am Strand. Eines stand wie ein Zelt auf dem Einband, eines lag durchweicht direkt unterhalb der Flutlinie und war zum Umfang eines Telefonbuchs aufgequollen, durch das dritte blätterte müßig der Wind. Lass gut sein, dachte Gardener, Ausscheidungen eines Arschlochs.
    Der Junge mit den Krachern kam näher … aber nicht zu nahe. Möchte imstande sein, möglichst schnell wegzulaufen, wenn ich genauso seltsam sein sollte, wie ich zweifellos aussehe, dachte Gardener. Kluger Junge.
    »Gehört das Ihnen?«, fragte der Junge. Das T-Shirt zeigte einen Burschen, der sein Mittagessen wieder von sich gab. OPFER DER SCHULSPEISUNG, stand darunter.
    »Ja«, sagte Gardener. Er hob das durchweichte Notizbuch auf, sah es einen Augenblick an und ließ es dann wieder fallen.
    Der Junge gab ihm die beiden anderen. Was konnte er sagen? Mach dir keine Mühe, Junge? Die Gedichte sind beschissen, Junge?

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