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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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verstand es zuerst nicht; Bobbis Stimme war kaum mehr als ein heiseres Krächzen.
    »Was, Bobbi?«
    »Niemanden anrufen«, sagte Bobbi. Diesmal sprach sie etwas lauter, doch selbst diese Anstrengung schien sie beinahe zu erschöpfen. Ihre Wangen waren gerötet, der Rest ihres Gesichts wie Wachs, die Augen so funkelnd und fiebrig wie blaue Edelsteine – vielleicht Diamanten oder Saphire. »Nicht … Gard, niemanden! «
    Andersen sackte schwer atmend wieder auf der Couch in sich zusammen. Gardener legte den Hörer auf und ging bestürzt zu ihr. Bobbi brauchte einen Arzt, das war offensichtlich, und Gardener wollte einen holen … aber vorläufig
schien es wichtiger zu sein, dass sie sich nicht aufregte.
    »Ich bleibe bei dir«, sagte er und nahm ihre Hand. »Wenn es das ist, was dich beunruhigt. Weiß Gott, du bist mit mir durch genügend Sch…«
    Aber Anderson hatte mit zunehmender Heftigkeit den Kopf geschüttelt. »Brauche nur Schlaf«, flüsterte sie. »Schlaf … und morgen früh etwas zu essen. Aber vor allem Schlaf. Habe seit … drei Tagen nicht geschlafen. Vielleicht vier.«
    Gardener sah sie wieder schockiert an. Er brachte das, was sie gerade gesagt hatte, mit ihrem Aussehen in Zusammenhang.
    »Worauf warst du high?« – und warum?, fügte sein Verstand hinzu. »Speed? Luminal?« Er dachte an Koks, verwarf das aber. Bobbi konnte sich zweifellos Koks leisten, wenn sie ihn wollte, aber auch eine gepuderte Nase konnte einen Mann oder eine Frau drei oder vier Tage lang wach halten und mehr als dreißig Pfund verlieren lassen, und das in – Gardner überschlug die Zeit, seit er Bobbi zuletzt gesehen hatte – drei Wochen.
    »Kein Dope«, sagte Bobbi. »Keine Drogen.« Ihre Augen rollten und glänzten. Speichel rann ihr hilflos aus den Mundwinkeln, und sie sog ihn wieder ein. Einen Augenblick lang sah Gardener einen Ausdruck in Bobbis Gesicht, der ihm nicht gefiel … der ihm sogar ein wenig Angst machte. Es war ein Anne -Ausdruck. Alt und verschlagen. Dann fielen Bobbi die Augen zu, und er sah Lider im zarten Purpurton völliger Erschöpfung. Als sie die Augen wieder aufschlug, war es einfach Bobbi, die da lag … und Bobbi brauchte Hilfe.
    »Ich werde einen Krankenwagen rufen«, sagte Gardener und stand wieder auf. »Du siehst wirklich nicht gut aus, B…«

    Bobbi streckte einen dünnen Arm aus und hielt ihn am Handgelenk fest, als Gardener zum Telefon wollte. Sie hielt ihn mit überraschender Kraft fest. Er sah auf Bobbi hinab, und obwohl sie immer noch schrecklich erschöpft und beängstigend abgezehrt aussah, war der fiebrige Glanz aus ihren Augen verschwunden. Jetzt war ihr Blick offen und klar und völlig normal.
    »Wenn du jemanden anrufst«, sagte sie, und ihre Stimme bebte immer noch ein wenig, war aber fast normal, »dann ist es aus mit unserer Freundschaft, Gard. Das ist mein Ernst. Wenn du den Krankenwagen anrufst, das Derry Home oder auch nur den alten Doc Warwick, dann ist Schluss mit uns. Du wirst das Innere meines Hauses nie wiedersehen. Meine Tür wird für dich verschlossen sein.«
    Gardener sah Bobbi mit zunehmender Bestürzung und Entsetzen an. Wenn er in diesem Augenblick überzeugt gewesen wäre, dass Bobbi fantasierte, dann hätte er es trotzdem getan … aber das tat sie eindeutig nicht.
    »Bobbi, du …« … weißt nicht, was du sagst? Aber das wusste sie; das war ja das Entsetzliche. Sie drohte, ihre Freundschaft zu beenden, falls Gardener nicht tat, was sie verlangte, und damit setzte sie ihre Freundschaft in all den Jahren zum ersten Mal, seit Gardener sie kannte, als Druckmittel ein. Und da war noch etwas in Bobbi Andersons Augen: das Wissen, dass ihre Freundschaft wahrscheinlich das Letzte auf der Welt war, an dem Gardener etwas lag.
    Würde es etwas ändern, wenn ich dir sagte, wie sehr du gerade deiner Schwester ähnelst, Bobbi?
    Nein – er sah ihrem Gesicht an, dass nichts etwas ändern würde.
    »… weißt nicht, wie schlecht du aussiehst«, beendete er den Satz niedergeschlagen.
    »Nein«, stimmte Anderson zu, und das Gespenst eines
Lächelns erschien auf ihrem Gesicht. »Aber ich habe eine Vorstellung davon, glaub mir. Dein Gesicht … besser als jeder Spiegel. Aber, Gard – ich brauche nur Schlaf. Schlaf und …« Die Augen fielen ihr wieder zu, und sie öffnete sie mit sichtlicher Anstrengung. »Frühstück«, vollendete sie. »Schlaf und Frühstück.«
    »Bobbi, das ist nicht alles, was du brauchst.«
    »Nein.« Bobbis Hand hatte Gardeners Handgelenk nicht

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