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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hin und her raste und an zwei verschiedenen Do-it-yourself-Projekten gleichzeitig arbeitete, oder an fünf oder zehn. Das Bild war zu deutlich. Bobbi mit hochgekrempelten Ärmeln, die obersten drei Blusenknöpfe offen, Schweißperlen, die zwischen ihren kleinen Brüsten hinabrannen, das Haar zu einem groben Pferdeschwanz zurückgebunden, brennende Augen, blasses Gesicht, abgesehen von zwei hektischen Flecken, einer auf jeder Wange. Bobbi, die aussah wie eine wahnsinnige weibliche Form von Mr. Wizard, dem Moderator der gleichnamigen Science-TV-Show der Fünfziger, die immer hagerer wurde, während sie Schrauben schraubte, Nieten nietete, Drähte lötete, Erde hereinkarrte und wie eine Ballerina nach hinten übergebeugt auf ihrer Trittleiter stand, während ihr Schweiß übers Gesicht lief und die Sehnen im Hals hervortraten, als sie die neuen Lampen anbrachte. Ach ja, und wenn du schon einmal dabei bist, solltest du nicht vergessen: Bobbi, die neuen Kabel verlegt und den Boiler repariert.
    Gardener berührte die Emaille des Boilers mit der Hand, zog sie aber sofort wieder zurück. Er sah aus wie früher, aber er war es nicht. Er war höllisch heiß. Er kauerte sich nieder und machte die untere Klappe des Boilers auf.
    Und dann segelte Gardener wirklich über den Rand der Welt hinaus.
    6
    Früher war das Wasser mit Flüssiggas erwärmt worden. Die dünnen Kupferrohre, die das Gas zum Brenner des Boilers leiteten, kamen von Tanks hinter dem Haus. Der Lieferwagen von Dead River Gas in Derry kam einmal im Monat herüber und wechselte die Tanks aus, wenn sie ausgewechselt werden mussten – was für gewöhnlich der Fall war, denn der Boiler war nicht nur ineffizient, sondern auch unwirtschaftlich … jetzt, wo Gard darüber nachdachte, zwei Dinge, die häufiger zusammen auftraten als einzeln. Als Erstes bemerkte Gardener, dass die Kupferrohre nicht mehr mit dem Boiler verbunden waren. Sie hingen lose herab, ihre Enden waren mit Lumpen zugestopft.
    Wie in aller Welt heizt sie denn ihr Wasser?, dachte er, und dann sah er genauer in die Luke, und dann erstarrte er eine ganze Weile völlig.
    Sein Verstand schien klar zu sein, aber dieses losgelöste, schwebende Gefühl war wieder da – dieses Gefühl der Absonderung. Der alte Gard schwebte wieder in die Höhe wie der silbrige Luftballon eines Kindes. Er wusste, dass er Angst hatte, aber dieses Wissen war verschwommen und kaum von Bedeutung, wenn man es mit dem beängstigenden Gefühl verglich, sich von sich selbst abzusondern. Nein, Gard, Gott im Himmel!, rief eine klägliche Stimme tief in seinem Inneren.
    Er erinnerte sich, wie er als kleiner Junge, nicht älter als zehn, einmal den Jahrmarkt in Fryeburg besucht hatte. Er ging mit seiner Mutter ins Spiegelkabinett, und die beiden waren getrennt worden. Das war das erste Mal gewesen, dass er dieses seltsame Gefühl verspürt hatte, von sich selbst abgesondert zu sein, neben oder über seinem physischen Leib oder seinem physischen Verstand (falls es so etwas
gab) zu schweben. Er konnte seine Mutter sehen, o ja – fünf Mütter, ein Dutzend Mütter, hundert Mütter, einige klein, andere groß, einige dick, andere dünn. Und gleichzeitig sah er fünf, ein Dutzend, hundert Gards. Manchmal sah er eines seiner Spiegelbilder mit einem von ihren verschmelzen, und er streckte beinahe abwesend die Hand aus und rechnete damit, ihre Hose zu fassen zu bekommen. Stattdessen war da nur Luft … oder ein weiterer Spiegel.
    Er war lange Zeit herumgeirrt, und wahrscheinlich war er in Panik geraten, aber es war keine echte Panik gewesen, und soweit er sich erinnern konnte, hatte sich auch niemand so verhalten, als wäre er in Panik geraten, als er endlich den Weg ins Freie gefunden hatte – und zwar nach fünfzehnminütigem Drehen, Umkehren und Herumlaufen, wobei er immer wieder gegen Barrieren aus durchsichtigem Glas gestoßen war. Seine Mutter hatte kurz die Stirn gerunzelt. Das war alles. Aber er hatte Panik verspürt, so wie jetzt auch – ein Gefühl, wie sich der eigene Verstand von selbst löste, wie eine Maschine, die in der Schwerelosigkeit auseinanderfällt.
    Es kommt … aber es geht auch wieder. Warte, Gard. Warte einfach, bis es vorbei ist.
    Er saß einfach auf seinem Hintern, schaute in die offene Luke am unteren Ende von Andersons Boiler und wartete darauf, bis es vorbeiging, so wie er einst darauf gewartet hatte, dass seine Füße ihn auf den richtigen Weg und aus dem schrecklichen Spiegelkabinett auf dem Jahrmarkt von

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