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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ebenso wenig erklären, wie jemand, der mit den Ohren wackeln kann, dir erklären kann, wie er das macht.« Sie räusperte sich und sah einen Augenblick auf ihre Schuhe hinunter – Lehmverkrustete Arbeitsstiefel, wie Gardener sah. Sie sahen aus, als hätte sie sie in den vergangenen zwei Wochen kaum von den Füßen bekommen.
    Bobbi grinste ein wenig. Das Grinsen war verlegen und gleichzeitig schmerzlich belustigt – und in diesem Augenblick
sah sie ganz wie die alte Bobbi aus. Diejenige, die sein Freund gewesen war, als niemand es mehr sein wollte. Es war Bobbis Ach komm schon -Ausdruck, den sie gehabt hatte, als er sie kennenlernte, als sie eine frischgebackene Englischstudentin war und Gardener ein frischgebackener Englischlehrer, der apathisch an einer Doktorarbeit getippt hatte, wenngleich ihm wohl schon damals klar gewesen war, dass er sie niemals fertigstellen würde. Verkatert und missgelaunt hatte Gardener die Freshmen-Klasse gefragt, was der Dativ war. Niemand hatte sich zur Antwort gemeldet. Gardener hatte sich auf das große Vergnügen gefreut, ihnen allen den Marsch zu blasen, als Anderson, Roberta, Reihe 5, Platz 31, die Hand gehoben hatte. Ihre Antwort kam schüchtern heraus … aber sie war richtig. Er war nicht überrascht, als sich herausstellte, dass sie die Einzige war, die an der Highschool Latein gehabt hatte. Damals hatte dasselbe Ach komm schon -Grinsen wie jetzt auf ihrem Gesicht gelegen, und Gardener spürte eine Woge der Zuneigung über sich hinwegspülen. Bobbi hatte eine schwere Zeit durchgemacht … aber es war Bobbi. Keine Frage.
    »Ich halte die Barriere sowieso die meiste Zeit über aufrecht«, sagte sie. »Sonst hätte ich ständig das Gefühl, anderen Leuten in die Fenster zu gucken. Du erinnerst dich doch, wie ich dir erzählt habe, dass mein Briefträger, Paulson, etwas nebenher laufen hat?«
    Gardener nickte.
    »Das ist nichts, was ich wissen will. Oder ob ein armer Teufel ein Klepto ist oder jemand anders heimlich säuft … was macht deine Nase?«
    »Das Bluten hat aufgehört.« Gardener warf das blutige Stück Hemd neben Bobbis Taschentuch. »Also hältst du die Barriere aufrecht.«

    »Ja. Aus was für Gründen auch immer – moralischen, ethischen oder einfach nur, um durch den ständigen Lärm nicht auszurasten, ich halte sie aufrecht. Bei dir habe ich sie heruntergelassen, weil ich so gut wie nichts mitbekam, auch dann nicht, als ich es versuchte. Ich habe es ein paarmal versucht, und wenn dich das verrückt macht, habe ich dafür Verständnis, aber es war reine Neugier, denn niemand sonst ist … leer … so wie du.«
    »Niemand?«
    »Nein. Es mag einen Grund dafür geben, wie etwa eine besonders seltene Blutgruppe. Vielleicht ist es das sogar.«
    »Tut mir leid, ich habe Blutgruppe Null.«
    Anderson lachte und stand auf. »Können wir uns auf den Rückweg machen, Gard?«
    Es ist die Platte in meinem Kopf, Bobbi. Er hätte es beinahe gesagt, entschied sich dann aber aus unbekannten Gründen dagegen. Wegen der Platte kannst du nicht in meinen Kopf eindringen. Ich weiß nicht, woher ich das weiß, aber ich weiß es.
    »Ja, mir geht es gut«, sagte er. »Ich könnte
    (einen Drink)
    eine Tasse Kaffee brauchen, das ist alles.«
    »Bekommst du. Gehen wir.«
    4
    Während ein Teil von ihr mit der Wärme und echten Sympathie auf Gard reagiert hatte, die sie immer für ihn empfunden hatte, selbst in den schlimmsten Zeiten, hatte ein anderer Teil von ihr (ein Teil, der streng genommen überhaupt nicht mehr Bobbi Anderson war) kalt daneben gestanden
und alles aufmerksam beobachtet. Abschätzend. Hinterfragend. Und die erste Frage war gewesen, ob
    (sie)
    sie Gardener wirklich in der Nähe haben wollte. Sie
    (sie)
    hatte( n ) zuerst gedacht, dass ihre Probleme nun gelöst waren, Gard würde ihr beim Graben helfen, und sie würde diesen … nun, diesen ersten Teil … nicht mehr allein erledigen müssen. Mit einem hatte er recht: der Versuch, alles allein zu machen, hatte sie beinahe das Leben gekostet. Aber die Veränderung, die sie in ihm erwartet hatte, war nicht eingetreten. Nur dieses Besorgnis erregende Nasenbluten.
    Er wird es nicht mehr berühren, wenn es seine Nase so zum Bluten bringt. Er wird es nicht berühren, und er wird ganz sicher nicht hineingehen.
    Vielleicht muss es gar nicht so weit kommen. Schließlich hat Peter es auch nie berührt. Peter wollte nicht einmal in seine Nähe, aber sein Auge … und die Umkehrung seines Alterungsprozesses …
    Das ist etwas anderes.

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