Das Moor Des Vergessens
hat etwas Gutes getan, und ich lass nicht zu, dass er deshalb in den Knast kommt.« Sie schob den Stuhl vom Tisch zurück. »Wenn du mir nicht hilfst, gut, dann geh ich einfach wieder raus auf die Straße. Ich hab's bis hierher geschafft, ich komm auch noch 'n bisschen weiter.«
Jane fasste sie am Handgelenk. »Warte. Du gehst nicht weg.«
»Ich bleib aber nicht hier, wenn du mich verraten willst.« Tenille entriss Jane ihren Arm, sie war gekränkt. »Du sagst, du bist meine Freundin. Aber das bist du nicht. Du bist genauso wie alle anderen Weißen. Wenn es darauf ankommt, bist du ganz genauso. Ich hätt bei meinem Dad bleiben sollen. Er weiß, was man mit Verrätern macht.« Tränen traten ihr in die Augen, und sie wischte sie ungeduldig weg. »Vergiss es, Jane. Verpiss dich.«
Am 22. Juni erreichten wir wiederum Matavai Bay. Dort teilten wir alles auf dem Schiff, was man mitnehmen konnte, in gleiche Teile. Sechzehn Männer beschlossen, das Schiff zu verlassen, acht entschieden sich, bei mir zu bleiben. Mein Herz war am schwersten, als ich Peter Heywood Lebewohl sagte. Aber es war recht für ihn, uns zu verlassen. Er war nicht direkt an der Meuterei beteiligt gewesen, und ich meinte, es würde ihm nicht allzu sehr schaden, dass er bei mir geblieben war. Im Schutz der Dunkelheit ging ich an Land, um von ihm Abschied zu nehmen. Bei Tageslicht konnte ich nicht gehen, denn ich hätte mich zu sehr geschämt, Häuptling Teina in die Augen sehen zu müssen, wenn die Lügen herausgekommen wären, die ich ihm aufgetischt hatte. Wir gingen miteinander an dem sandigen Strand entlang, Peter und ich, und ich bat ihn, meinem Bruder die Wahrheit über das mitzuteilen, was sich zwischen Bligh und mir zugetragen hatte. Ich hatte ihm bis zu dem Zeitpunkt noch nichts von Blighs bösem Vorwurf erzählt, und sein Abscheu überzeugte mich, dass ich Recht gehabt hatte, lieber zu meutern, als unsere Namen durch Blighs grundlose Verleumdungen beschmutzen zu lassen.
26
Derwent Water glänzte silbern und blau im Sonnenlicht. Einige Dingis glitten schon durchs Wasser, und an der Schräglage ihrer Segel zeigte sich, wie stark die Brise war, die die Oberfläche des Sees kräuselte. Aber Jake hatte keine Augen für die Schönheit dieses Morgens. England und sein Auftrag hatten ihn innerhalb von ein paar Tagen müde und kraftlos werden lassen. Er freute sich auf nichts mehr, was vor ihm lag - weder auf weitere Treffen mit den Alten noch auf eine möglicherweise schmerzliche Begegnung mit Jane. Wenigstens konnte er Letzteres aufschieben, solange Dan Seabourne sich hier herumtrieb. Jake war mit Dan und Harry nie warm geworden und hatte ihr ständiges Flirten unnötig und peinlich gefunden. Er hatte den Verdacht, dass der Mangel an Zuneigung gegenseitig war, und erhoffte sich von Dans Anwesenheit keine Hilfe bei seinem Versuch, sich Jane wieder zu nähern.
Aber seine Sorgen wegen Dans Anwesenheit gingen über das rein Persönliche hinaus. Soweit Jake nach der Lektüre von Janes E-Mail wusste, waren Dans Nachforschungen im St. Catherine's House fehlgeschlagen. Dan hatte nichts erreicht, wogegen Carolines Experte reiche Beute an Material vorgelegt hatte.
Oder jedenfalls hatte das in Dans E-Mail gestanden. Wenn es stimmte, hatte seine Ankunft in Fellhead eigentlich wenig Sinn. Warum sollte er die lange Fahrt von London hierher machen, wenn er eigentlich gar nichts zu berichten hatte? Jake bekam Gänsehaut, als ihm die einzig vorstellbare Erklärung dazu aufging. Als Jane merkte, dass jemand ihre E-Mail gelesen hatte, hätte sie Dan schreiben oder ihn anrufen und ihm sagen können, er solle ihr seine Ergebnisse nicht schicken. Und vielleicht hätte sie noch eins draufsetzen und ihm eine E-Mail-Lüge schicken können, um Jake eins auszuwischen. Wenn ihr klar war, dass jemand ihre Mails las, musste sie ja Jake im Verdacht haben. Und wenn sie ihn eines solchen miesen Tricks verdächtigte, dann war es unmöglich, an ihre Forschungsergebnisse heranzukommen. Er würde also auf andere Weise das erreichen müssen, was er wollte. Jake hob einen Kieselstein auf und warf ihn so weit aufs Wasser hinaus, wie er konnte. Er versank und hinterließ Ringe auf der Wasserfläche, die sich mit den kleinen Wellen vereinigten, die der Wind schuf und die fast sofort wieder verschwanden.
Versunken, ohne eine Spur zu hinterlassen. Was immer ich dafür tun muss, mit mir wird's nicht so gehen.
»Du siehst ja furchtbar aus«, sagte Jane, als sie Dans
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