Das Moor Des Vergessens
so, kehrte der Mann ins Farmhaus zurück. Ein paar Minuten darauf kam er wieder heraus, stieg in den Geländewagen und fuhr in Richtung Fellhead davon. Tenille sah dem Lichtstreifen seiner Scheinwerfer nach, als er an der Kreuzung rechts abbog und zur Hauptstraße fuhr. Er war tatsächlich fort. Nur Jane war noch da.
Es dauerte viel länger, als Tenille erwartet hatte, zu der Farm hinunterzukommen. Sie hatte noch nie etwas gelernt, das ihr in der Dunkelheit beim Abstieg über ein so unsicheres Gelände hätte helfen können. Mehrmals stolperte sie, zweimal fiel sie auf den Rücken. Als sie es endlich bis zur Ecke des Farmhauses geschafft hatte, war ihre Hose durchnässt, und auf dem Ärmel hatte sie einen langen schwarzen Schlammfleck.
Sie spähte um die Ecke des Gebäudes und versuchte herauszufinden, wo der Bewegungsmelder im Hof war. Schließlich fand sie ihn, er war neben der Tür angebracht. Über solche Dinge wusste sie Bescheid. Sie schätzte, dass sie, wenn sie sich an die Wand drückte, außerhalb des Bereichs des Sensors bleiben würde. Aber es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
Mit dem Gesicht zur Mauer, schlich Tenille um die Ecke. Sie bewegte sich langsam an zwei dunklen Fenstern und der Tür vorbei zum Rand des Fensters ohne Vorhang, aus dem ein langer gelber Lichtschein auf den rauen Beton des Hofs fiel. Sie riskierte einen schnellen Blick. Es war die Küche. Einer dieser Kochherde, die sie in stinkfeinen Häusern im Fernsehen zeigten, dann das Ende eines Küchentischs. Aber keine Spur von Jane.
Sie kroch gebückt unter dem Fenster entlang und richtete sich am anderen Ende wieder auf. Diesmal wurde ihr schneller Blick belohnt. Jane saß am Esstisch mit einem Bündel Papiere vor sich und einem Glas Wein daneben. Kein Anzeichen von sonst jemandem im Raum. Tenille holte tief Luft, trat vor das Fenster und klopfte fest an die Scheibe. Janes Kopf fuhr hoch, und sie starrte zum Fenster. Tenille trat nah an die Scheibe heran. Schockiert öffnete Jane den Mund und sprang auf. Dabei stieß sie vor lauter Hast fast ihren Stuhl um. Sie verschwand durch die Küchentür. Einen Moment danach ging die Tür nach draußen auf. Als Jane heraustrat, ging mit einem Klicken das Licht im Hof an. Tenille stand verlegen da, den Kopf zur Seite geneigt, nicht sicher, wie Jane sie empfangen würde. »Tenille?« Jane klang argwöhnisch. »Bist du das?« Tenille nahm die Baseballmütze ab. »Ja. Ich musste mir die Haare schneiden.« Bei allen Möglichkeiten, das Gespräch zu
beginnen, die sie den ganzen Tag geübt hatte, war diese überhaupt nicht vorgekommen.
»Was, zum Teufel, machst du hier? Die Polizei sucht dich.« Tenille spürte, dass ihre Unterlippe zitterte. Sie hatte sich so lange beherrscht, und jetzt konnte sie einfach nicht mehr. Tränen traten ihr in die Augen. »Kann ich reinkommen? Ich friere furchtbar«, sagte sie kleinlaut und zitterte am ganzen Körper.
»Natürlich, komm rein. Meine Güte, du bist ja total nass.« Jane drückte Tenille an sich und schob sie dann in die Küche. »Warte, ich hol dir eine trockene Hose.« Sie kam nach ein paar Minuten mit einer Fleecehose zurück. »Zieh die an. Und stell dich neben den Herd, wo es warm ist.« Tenille war zu erschöpft, um irgendetwas anderes zu tun als das, was ihr gesagt wurde. Die Wärme vom Herd fühlte sich herrlich an. Sie zog die nassen Tennisschuhe aus und wechselte die Hose. Inzwischen hatte Jane eine tief gefrorene Hausmachersuppe aus der Kühltruhe genommen und stellte sie in die Mikrowelle. Immer wieder sah sie Tenille an, als hätte sie tausend Fragen, sagte aber nichts. »Bin zu Fuß gekommen«, sagte Tenille, als ihre Zähne zu klappern aufgehört hatten.
»Das hab ich mir gedacht«, sagte Jane, während sie Teller und Löffel holte und auf den Tisch stellte. »Die Polizei vom Ort war schon hier.« »Ich weiß, ich hab zugesehen.«
Jane zog die Augenbrauen hoch. »Die Londoner Polizei hat sie geschickt. Aber ich wusste das von Geno schon aus den Nachrichten. Komm, setz dich und iss die Suppe. Dann können wir richtig reden. Meine Eltern kommen erst in einer Stunde oder so wieder.«
Nachdem der erste Teller Suppe schnell und fast wirkungslos verschwunden war und Jane ihn noch einmal gefüllt hatte, sagte Tenille: »Hast du Brot?« Jane holte zwei Brötchen und Butter und sah zu, wie sie im Rekordtempo vertilgt wurden. »Das hast du wohl gebraucht«, sagte sie, als Tenille fertig war. »Ich hab seit gestern Abend nichts gegessen.
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