Das Moor Des Vergessens
Und ich bin heute ziemlich viel gelaufen. Ich habe es von Grasmere über die Berge geschafft und mich nicht ein Mal verirrt. Ich sag dir, da oben braucht man aber wirklich eine Karte. Zwei Mal hab ich mich fast total verlaufen, bis ich herausgekriegt hab, welcher Berg welcher war. Und ich weiß nicht, wie Wordsworth und die anderen damals das Wandern ganz ohne Karten geschafft haben.« Sie wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Das war toll. Vielen Dank, Jane.« »Bitte. Aber du musst mir sagen, was passiert ist.« Tenille zog die dünnen Schultern hoch und seufzte. »Mein Dad hat Geno weggepustet. Ich hab ihn tot in der Wohnung gefunden. Ich hab ... also ich konnte nicht richtig denken, wollte nur sicher sein, dass er deshalb nicht erwischt wird, da hab ich die Wohnung angezündet. Ich hab versucht, mich in deiner Wohnung zu verstecken, aber die Bullen sind gekommen, und ich hab gewusst, es war nur eine Frage der Zeit, bis sie mich dort finden würden, da bin ich abgehauen.« Ihr Mund zuckte, und sie verzog das Gesicht. »Ich konnte zu niemand sonst gehen. Da bin ich hierher gekommen.« Sie sah Jane schnell an. »Du bist mir doch nicht böse, oder?« »Ich bin nicht böse, nein. Ich mach mir Sorgen. Wie ich sagte, die Polizei war schon hier ...«
»Hast du ihnen erzählt, dass du bei meinem Dad warst?«, unterbrach sie Tenille.
Jane schüttelte den Kopf. »Nein. Ich wollte warten, bis ich die Gelegenheit hatte, mit dir zu reden. Aber sie fahnden wirklich nach dir. Sie haben hier alles kontrolliert und den Schlüssel zu meiner Wohnung verlangt, damit sie hineinkönnen, um dich dort zu suchen. Ich habe gesagt, das sei sinnlos, aber das reichte nicht. Du wirst dich stellen müssen, Tenille. Das geht nicht einfach so vorbei.« Tenille warf Jane einen finsteren trotzigen Blick zu. »Doch, klar geht das vorbei. Ist doch nur so 'n übler Schwarzer, den 's erwischt hat. In einer oder zwei Wochen wird es vorbei sein, und niemand kümmert sich mehr drum.« »Vielleicht, wenn alles ganz normal läuft. Aber es geht nicht, dass du dich ewig versteckst. Du bist dreizehn, nicht dreiundzwanzig. Und sobald du wieder auftauchst, werden sie hinter dir her sein.« Jane klang ratlos. »Ich weiß«, sagte Tenille, jetzt ganz der schmollende Teenager. »Aber vielleicht finden sie einen anderen Verdächtigen. Das nimmt den Druck von mir, dann kann ich zurückkommen.«
»Das wird aber nicht passieren, solange sie sich darauf konzentrieren, dich zu finden. Tenille, du wirst ihnen die Wahrheit sagen müssen. Eigentlich müssen wir beide ihnen die Wahrheit sagen. Du über Geno und ich, dass ich bei deinem Dad war.«
»Sie werden uns nicht glauben«, sagte Tenille dumpf. »Warum nicht? Dein Dad ist als Verdächtiger doch viel glaubwürdiger als du. Er hat einen gewissen Ruf und, ich vermute, eine Liste von Vorstrafen, die dazu passt.« »Ja, aber ich glaube, an der Flinte sind Fingerabdrücke von mir.«
Jane sah sie erschrocken an. »Du glaubst, du hast Fingerabdrücke auf der Waffe hinterlassen? Wie ist denn das passiert?«
Tenille verteidigte sich: »Ich hab sie hochgehoben, ja? Und danach hab ich sie nicht abgewischt. Hab's vergessen. Ich war total daneben. Vielleicht ist sie im Feuer verbrannt, aber wenn nicht, werden sie nicht glauben, dass ich es nicht war.«
»Tenille, sie glauben bestimmt viel eher, dass es dein Vater war.«
Sie schüttelte trotzig den Kopf. »Ich verpfeif ihn nicht. Und du auch nicht.« Sie sah Jane abwägend an. »Also, versteckst du mich, oder was?«
Jane sah sie völlig fassungslos an. »Dich verstecken?« »Ja, versteck mich. Nur bis sich alles beruhigt hat und wir uns ausdenken können, was wir sagen wollen.« »Ich kann dich hier nicht verstecken. Die Polizei hat schon einmal alles durchsucht.«
»Dann ist es umso sicherer, dass sie nicht nochmal suchen. Sie haben nachgesehen, und ich war nicht hier.« Jane schüttelte den Kopf. »Das ist eine schlechte Idee, Tenille. Pass auf, schlaf heute Nacht hier, und morgen früh gehen wir zur Polizei und sagen ihnen die Wahrheit.« »Die Wahrheit - das wird nicht funktionieren. Wir müssen uns etwas Besseres ausdenken als die Wahrheit. Mein Dad hat zu mir gestanden, ich muss zu ihm halten.« »Er hat einen Mann ermordet, Tenille.« Tenille sah weg. »Nein. Geno war doch nur Abschaum, er hat verdient, was er gekriegt hat. Meinst du vielleicht, ich bin das erste Kind, an das er sich rangemacht hat? Meinst du, ich wäre das letzte gewesen? Nein. Mein Dad
Weitere Kostenlose Bücher