Das Moor Des Vergessens
fragen, wenn ihr heute Nachmittag nach Hause kommt?«, schlug Matthew freundlich vor. »Wenn es etwas gäbe, könnten wir es in die Ausstellung aufnehmen. Das wäre gut, nicht wahr? Wenn wir unser Projekt mit dem größten Sohn Cumbrias in Verbindung bringen könnten?«
Sam nickte begeistert. »Das wäre wirklich cool. Ich frag heute Abend meinen Dad.« Dann verfinsterte sich sein Gesicht. »Aber vielleicht ist jetzt keine gute Zeit dafür.« Seine Unterlippe zitterte, und er presste die Lippen zusammen. »Seine Urgroßmutter ist am Samstag gestorben«, erklärte Jonathan ungefragt. »Vielleicht will sein Dad jetzt nicht über die Familie reden oder so.«
Matthew verbarg seinen Anflug von Ärger. »Oder aber er würde vielleicht verstehen, dass wir ihr damit Achtung erweisen, wenn wir Papiere von Dorcas, die sich bei ihren Sachen fanden, in das Projekt aufnehmen würden. Du kannst ja mal fragen, Sam, oder?« Der Junge nickte tapfer. »Ich frag mal.« »Und du auch, Jonathan. Also, geht jetzt, damit ihr noch ein bisschen was von der Pause habt.« Matthew sah ihnen nach.
Es war nicht leicht, bei den beiden gemeinsame Gene zu erkennen, dachte er. Er hoffte, dass es Sam war, der nach Dorcas geraten war. Es würde einem das Herz brechen, sich vorzustellen, dass Wordworth' großes episches Werk zum Feueranzünden gedient hätte. Aber in Cumbria, wo die Menschen stolz darauf waren, sich keinem Herrn beugen zu müssen, war alles möglich.
Jane hatte ihren Aktionsplan mit ihrer Mutter besprochen. Judy hatte ihr gesagt, dass Edith Clewlow von Gibson, dem Bestatter in Keswick, bereits in die Leichenhalle gefahren worden, dann aber zurückgebracht und im Haus ihrer Enkelin Alice aufgebahrt worden sei. »Erinnerst du dich an Alice?«, fragte Judy.
»Eigentlich nicht, sie war um einiges älter als wir.« »Sie hat nicht geheiratet, ging ins College und ist Bibliothekarin geworden. Ein paar Jahre hat sie in Kendal gearbeitet, aber jetzt lebt sie wieder in Keswick. Als Leiterin der Bibliothek. Sie wohnt in diesem neuen Baugebiet in der Braithwaite Road. Sie hat mehr Platz für den Leichenschmaus als die anderen.«
»Was meinst du, wie würde sie es aufnehmen, wenn ich sie fragen würde, ob ihre Großmutter alte Papiere aufbewahrt hatte?«
Judy warf ihrer Tochter einen belustigten Blick zu. »Na ja, ich hoffe, du würdest es in hübschere Worte kleiden.« »Ich werde diplomatisch sein, Mum. Aber meinst du, Alice würde wissen, ob Edith Familienpapiere hatte?« »Wahrscheinlich schon. Aber Frank ist derjenige, den du fragen musst. Er hat seine Oma sehr gern gehabt. Ist jeden Morgen hingefahren, hat ihr die Milch und die Zeitung gebracht und nachgesehen, ob es ihr gut ging. Frank hat sie am Sonntagmorgen gefunden. Er wollte sie abholen, damit sie zur Kirche gehen konnte. Aber sie lag tot in ihrem Sessel im Wohnzimmer, so friedlich, als wäre sie kurz eingeschlafen.«
»Schade, dass es nicht Jimmy war, der sich um sie gekümmert hat. Den habe ich immer um den Finger wickeln können.« Jane lächelte, als sie sich an Jimmys freches Grinsen und seine unbekümmerte Art erinnerte. Sie hätte sich fast in ihn verknallt und hatte es sich von ihrer besten Freundin ausreden lassen, die gesagt hatte, er sähe wie ein Affe aus, besonders wenn er gebückt und mit den Armen fuchtelnd vor seiner Trommel saß.
Judy presste die Lippen aufeinander. »Jimmy Clewlow ... ich glaube nicht, dass er zur Beerdigung kommen wird. Man hat ihn kaum hier gesehen, seit er das Studium aufgegeben hat und dieser Popgruppe beigetreten ist.« »Es ist keine Popgruppe, Mum, es ist ein modernes Jazz-Quintett. Und sie haben einen guten Namen. Ich habe schon öfter Kritiken ihrer CDs gelesen.«
»Ja, vielleicht, aber das ist doch keine richtige Arbeit, oder?«
»Es ist genauso eine richtige Arbeit wie das, was ich mache. Und er verdient wahrscheinlich mehr als ich.« Das Gespräch hatte sich dann Erinnerungen an die Schulzeit, an ihre Freundinnen und was sie jetzt taten, zugewandt. Aber Judy hatte ihr nicht geraten, dass sie nicht gehen solle, also fuhren sie nach Thistlethwaite Court zu einem freundschaftlichen Treffen mit der Clewlow-Sippe.
Jane war erleichtert, dass Dan sich von seiner Lebensmittelvergiftung wieder erholt hatte. Als sie ihn am Cottage abholte, war er wieder ganz der Alte mit strahlendem Blick, Kopf und Wangen frisch rasiert. »Ich habe eine E-Mail von Anthony Catto bekommen«, sagte sie, als sie die Hauptstraße hinunterfuhren. »Er hat ein
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