Das Moor Des Vergessens
erzählt, was passiert ist, und ich wollte vorbeikommen und sagen, wie leid es mir tut.«
»Das ist schön, dass du nach Hause gekommen bist. Manche Leute brauchen erst einen Todesfall in der Familie, bevor sie uns mit ihrem Besuch beehren«, fügte Alice spitz hinzu. Jimmy seufzte wie jemand, der das alles schon mal gehört hat, aber nicht streiten wollte.
Jane lächelte Alice zu. »Eigentlich hatten wir gehofft, deine Großmutter diese Woche besuchen zu können.« Alice schien verwirrt. »Ich wusste nicht, dass du sie manchmal besucht hast. Sie hat es nie erwähnt.« »Nein, ich bin noch nie bei ihr gewesen. Aber ich dachte, sie könnte mir vielleicht bei unserer Arbeit helfen.« »Gran?« Alice klang skeptisch.
»Cool«, sagte Jimmy. »Was machst du, etwas mit mündlicher Überlieferung? Gran hatte ein tolles Gedächtnis, jede Menge Geschichten. Sie wäre genau die Richtige gewesen, mit der man über solche Sachen hätte reden können.« »Ihr zwei seid doch nicht aus London gekommen, um die Lebensgeschichte meiner Großmutter zu hören«, sagte Alice unverblümt mit herausforderndem Gesichtsausdruck. »Nein.« Sie sahen Jane erwartungsvoll an, aber Alices Gesichtsausdruck war jetzt deutlich weniger freundlich. »Ich weiß nicht, ob ihr das wisst oder nicht, aber vor sechs Generationen hat ein Mitglied eurer Familie für die Familie Wordsworth im Dove Cottage gearbeitet. Sie war Dienstmagd und hieß Dorcas Mason. Dann hat sie euren Ururururgroßvater geheiratet«, sagte Jane und zählte die Generationen an den Fingern auf.
»Und du meintest, meine Gran wüsste vielleicht etwas über diese Dorcas?« Alice klang skeptisch. »Eigentlich hatte ich gehofft, dass sie mir womöglich sagen könnte, ob es Papiere gab, die weitervererbt worden sind. Tagebücher, Briefe, vielleicht sogar Entwürfe von Gedichten, die William weggeworfen hatte.« Jane hoffte, mit einem Lächeln Alice versöhnlich stimmen zu können. Aber Alice sah sie eindeutig feindselig an. »Was ist denn los mit deiner Familie? Zuerst ruft dein Bruder an und will wissen, ob sie alte Familienpapiere hätte, dann kreuzt du hier auf und tust so, als wolltest du dein Beileid aussprechen, willst aber in Wirklichkeit nur herumschnüffeln, ob meine Gran etwas hinterlassen hat, was sich zu begrabschen lohnt.«
»Mein Bruder?«
»Tu nicht so, als wüsstest du das nicht. Ich denke mir, du hast ihm aufgetragen, den ersten Kontakt zu knüpfen, weil er der Rektor ist, unseren Sam in der Klasse hat und Grandma ihm trauen würde. Und als das nichts geworden ist, kommst du hier an wie ein Aasgeier und willst sehen, ob wir etwas Wertvolles haben, das man uns abknöpfen könnte.« Jane schüttelte bestürzt den Kopf. Sich der vielen auf sie gerichteten Blicke bewusst, sagte sie stotternd: »Ich hab nicht die Absicht, euch etwas abzuknöpfen. Ich arbeite für die Uni, ich bin Wissenschaftlerin und keine Betrügerin. Ich will es doch nur anschauen. Und ich hatte keine Ahnung, dass mein Bruder mit Mrs. Clewlow gesprochen hat.« Alice schnaubte verächtlich. »Du musst wohl denken, wir hier oben sind doofe Landeier. Also, bevor du den Rest der Familie belästigst, sag ich dir klipp und klar: Meine Gran hat nichts von Wert. Keine alten Dokumente, keinen wertvollen Schmuck, keine Aktien oder Wertpapiere. Du kannst uns also in Ruhe lassen, weil es für dich hier nichts zu holen gibt. Geh und verschone uns mit deinen Londoner Grabräubermethoden.«
Inzwischen war es im Raum still geworden, und alle Anwesenden sahen Jane und Dan an.
»Sie haben das alles falsch verstanden, Ms. Clewlow«, sagte Dan versöhnlich. »Wir wollen Ihnen oder Ihrer Familie nichts wegnehmen.«
»Und ich glaub Ihnen nicht. Da trifft es sich ja ganz gut, dass es nichts mitzunehmen gibt, oder? Also, ich möchte, dass ihr beide mein Haus verlasst.«
Jimmy war völlig entgeistert, aber er streckte eine Hand aus, berührte Janes Ellbogen, sagte leise: »Komm«, und führte sie aus dem Zimmer hinaus.
Jane war zutiefst schockiert und fühlte sich grundlos angegriffen. »Wir haben wirklich nicht versucht, euch reinzulegen«, sagte sie, als sie an der Haustür standen. »Ich weiß. Alice ist einfach durcheinander. Sie hat Gran wirklich sehr gern gehabt. Morgen wird es ihr furchtbar leid tun.« »Ich kann's kaum fassen, dass sie mich so missverstanden hat.«
»Es ist so, wie Jimmy gesagt hat, sie ist durcheinander. Die Leute benehmen sich merkwürdig, wenn sie einen lieben Menschen verloren haben«, sagte
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