Das Moor Des Vergessens
gesagt, dass er es dir erzählen wollte«, mischte sich Diane ein. »Aber du denkst ja immer das Schlimmste von Matt.«
»Nur deshalb, weil das gewöhnlich stimmt«, sagte Jane. »Du hast kein Interesse an meiner Arbeit gezeigt, bis ich den Namen Dorcas Mason erwähnte. Bis dahin hast du dich darüber nur lustig gemacht. Dann wolltest du plötzlich alles wissen: Wer sie war, was sie mit dem Manuskript zu tun hatte, welche Rolle sie bei meiner Forschungsarbeit spielte. Und kein Wort, kein Hinweis, dass du etwas wissen könntest, das mir helfen würde.«
»Ich hab's dir doch gesagt. Ich wollte keine Hoffnungen bei dir wecken, nur um sie dann zu enttäuschen.« Matthew beugte sich zu ihr hinüber und goss sich ein Glas Wein ein. »Ach komm, Matthew. Sag doch die Wahrheit. Du hast geplant, meine Forschungsarbeit zu klauen und mir ganz gewaltig eins reinzuwürgen.«
»Hast du eine Ahnung, wie paranoid du dich anhörst?« Allan schlug mit der flachen Hand so laut auf den Tisch, als bräche ein Felsbrocken von einer Klippe. »Genug, ihr beiden. Wenn ihr streiten müsst, tut's irgendwo anders. Ihr seid beide viel zu alt, um euch so zu benehmen.« Und damit war der mit Worten geführte Streit zu Ende. Aber die Geschwister kochten vor Wut, Matthew umso mehr, als sein seltener großherziger Impuls so gründlich missverstanden worden war. Unter Janes verächtlichem Blick beschloss er wutentbrannt, wenn er schon die Prügel bekäme, dann könne er auch den Frevel begehen. Jane mochte ihre akademischen Qualifikationen haben, aber er hatte die Beziehungen. Er wohnte hier. Er war der Rektor, und die Leute kamen seinen Wünschen entgegen.
Die Unruhe im Klassenzimmer holte Matthew in die Gegenwart zurück. Mehrere Kinder hatten die Aufgaben gelöst, immer dieselben, dachte Matthew. »Okay. Ihr habt genug Zeit gehabt. Legt eure Bleistifte hin. Aufgabe eins - wer gibt mir die Antwort?« Unweigerlich streckte Sam seine Hand in die Luft. »Ja, Sam?« »Fünfhundertsechsundsiebzig, Sir.«
»Stimmt. Hat jemand das nicht richtig gehabt?« Zwei Hände hoben sich langsam. »Okay, Sam, komm an die Tafel und zeig uns, wie du's gemacht hast.« Matthew sprach mit der Klasse die Aufgaben durch und war wie geplant genau beim Klingeln zur großen Pause fertig. Als die Kinder aufstanden und zur Tür gingen, sagte er: »Sam, Jonathan, könnt ihr einen Moment hier bleiben?«
Sie kamen an seinen Schreibtisch, Sam versuchte, sein Interesse zu verbergen, und Jonathan seine Unsicherheit. Matthew legte ihre Stammbäume vor sie hin. »Übers Wochenende habe ich etwas sehr Interessantes herausgefunden. Dorcas Mason, eine von euren Ahnen, hat für eine sehr wichtige Person hier in Cumbria gearbeitet. Könnt ihr euch vorstellen, wer das sein könnte?«
Jonathan stand stumm wie ein Kalb da. Aber Sam traute sich zu raten. »War es Beatrix Potter?«, fragte er. »Du liegst mit der Zeit ein bisschen daneben, Sam. Es war, als Dorcas sehr jung war, bevor sie Arnold geheiratet hat.« Sam steckte beim Nachdenken den Finger ins Ohr. »War es dann vielleicht Wordsworth?«, fragte er. »Stimmt genau. Dorcas Mason war als Mädchen ein paar Jahre Dienstmagd im Dove Cottage. Was haltet ihr davon?«
»Cool. Wir können das auf unsere Stammbäume schreiben, dass sie William Wordworth' Magd war«, sagte Sam. Jonathan trippelte unruhig hin und her. »Heißt das, dass sie berühmt war?«, murmelte er.
Ausnahmsweise einmal fand Matthew, dass Jonathan eine sinnvolle Bemerkung gemacht hatte. »Na ja, nein, nicht wirklich. Aber sie hat wahrscheinlich Leute kennen gelernt, die damals sehr berühmt waren. Und deshalb habe ich mich gefragt, ob ihr vielleicht einmal von Familienpapieren gehört habt, die aus Dorcas' Zeit stammen. Sie hat vielleicht ein Tagebuch geführt oder Briefe aufbewahrt, die mit ihrer Arbeit im Dove Cottage zusammenhingen. Vielleicht hat sie sogar Papiere aufgehoben, die William Wordsworth weggeworfen hat - frühe Fassungen von Gedichten oder Notizen, die er nicht mehr brauchte. Habt ihr schon mal von so was gehört?«
Jonathan schüttelte mit leerem Blick den Kopf. Matthew war froh, dass die Chance recht gering war, dass das Manuskript an die Bramleys vererbt worden sein könnte. Sie hätten es wahrscheinlich genommen, um ihre Einkaufslisten darauf zu schreiben. Aber Sams Familie war clever. Sam selbst sah enttäuscht aus. »Ich erinnere mich nicht, dass jemand irgendwann mal über so was geredet hätte«, sagte er. »Na, vielleicht könntet ihr beide mal
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