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Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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finden ließe, das irgendwie helfen könne, ihrem Seminar einen konkreten Bezug zu geben. Sie war in einen besonders langweiligen Artikel über Coleridge's Frühwerk vertieft, als Dans Kopf oben über ihrer Lesenische erschien.
    »Hab ich mir doch gedacht, dass ich dich hier finden würde«, sagte er ziemlich selbstgefällig.
    »Ist ja kaum 'ne Spitzenleistung«, erwiderte Jane trocken, »wenn man bedenkt, dass ich immer am gleichen Platz sitze.«
    Er kam um die Trennwand herum und zog ein Gesicht, als er sah, womit sie beschäftigt war. »Mein Gott. Wenn man schon PMLA zu Rate ziehen muss, muss man ja der Verzweiflung nahe sein.«
    Jane schob das Buch zur Seite. »Die ist schon da.« »Dann darf ich dich wohl von hier entführen und zu einem Kaffee einladen.«
    »Eigentlich nicht, denn ich muss dieses Seminar vorbereiten.« Dan zog die Augenbrauen hoch und die Mundwinkel nach unten. »Glaub mir, du wirst dich nach etwas Koffein und einer halben Stunde in meiner Gesellschaft wohler fühlen.« Nachdem Jane kurz so getan hatte, als wolle sie sich sträuben, stand sie auf und steckte ihren Stift in die Tasche. »Ich lasse meine Notizen hier«, sagte sie und meinte damit, dass sich ihre Bereitschaft, sich zerstreuen zu lassen, in Grenzen halte. Ohne weiter darüber zu diskutieren, gingen sie aus dem Gebäude hinaus um die Ecke zum Bear and Staff. In diesem Lokal bekam man anständigen Kaffee, und anders als in der Mensa war es den Rauchern hier noch erlaubt, ihrem Laster zu frönen. Jane fühlte sich gleich besser, als Dan mit zwei großen Tassen Mokka und einem Berg Sahne zu ihrer Ecknische zurückkam. »Du bist mir ein Schlimmer«, scherzte sie.
    »Ich glaube nicht an halbe Sachen.«
    »Ich weiß nicht, wie du so schlank bleibst«, klagte Jane und betrachtete den Waschbrettbauch unter seinem weißen T-Shirt.
    »Jede Menge Bewegung, Schätzchen. Und Zigaretten. Sie nehmen einem den Appetit, weißt du.« »Ganz zu schweigen von denjenigen von uns, die sich mit deinem Rauchen abfinden müssen.« Jane trank dankbar einen Schluck von ihrem Mokka und genoss den Kontrast zwischen der kühlen Sahne und dem heißen Kaffee. »Hm. Das ist ja genau das Richtige. Also, Dan, was soll ich hier?« Er tat unschuldig. »Jane, du überraschst mich aber. Ich hab dich doch auch sonst schon mal zu einem Kaffee eingeladen.«
    Jane verdrehte die Augen. »Du hast dir aber noch nie die Mühe gemacht, mich in der Bibliothek aufzusuchen und in ein Lokal zu schleppen.« Mit einem Schulterzucken breitete er die Arme aus, eine Geste, die sie bereits kannte. Süßer kleiner Junge gibt sich naiv, dachte sie. Dafür wirst du aber langsam zu alt, Danny Boy.
    »Was soll ich sagen? Du hast mich durchschaut. Ja, ich habe einen Hintergedanken.«
    »Dann solltest du mir sofort sagen, was es ist, ich habe nämlich keine Zeit zum Rätselraten. Also, was ist los?«
    Dan strich sich die Augenbraue glatt. Sie kannte diese Geste aus seinen Seminaren, wo sie beobachtet hatte, dass sie ihm dazu diente, Zeit zu gewinnen. »Das, was wir da neulich besprochen haben - Christian und Wordsworth -, das hat mich nicht mehr losgelassen«, sagte er. »Wieso nicht mehr losgelassen?«
    »Wir sind schon lange befreundet, Jane. Ich glaube, ich kenne dich ziemlich gut.« Er nickte, um das zu unterstreichen. »Aber bis zu dem Tag neulich war mir nicht klar, wie wichtig dir diese Geschichte mit Fletcher Christian ist. Und ich würde sagen, von allen meinen Kollegen bist du diejenige, die sich am wenigsten von einem grundlosen Gerücht beeindrucken lässt.«
    Jane spürte plötzlich eine Anspannung am Nacken. »Sehr schmeichelhaft, Dan. Aber wir haben alle unsere Schwächen. Arthur Conan Doyle glaubte an Feen. Hugh Trevor-Roper glaubte an die Hitler-Tagebücher. Ich glaube an Wordsworths verschollenes Gedicht. Es lohnt sich nicht, sich deswegen graue Haare wachsen zu lassen.«
    »Netter Versuch, Jane, aber das reicht nicht ganz. Ich glaube dir nicht. Ich meine, an der Sache ist mehr dran, als du mir gesagt hast. Und ich will dir helfen.«
    Jane starrte in ihre Tasse. Sie hatte dieses Geheimnis schon so lange Zeit gehütet, dass sie manchmal dachte, sie hätte vielleicht nur davon geträumt. Sie hatte es niemandem gesagt, nicht einmal Jake, obwohl sie ihn liebte, und wenn irgendjemand die Echtheit dessen, was sie gesehen hatte, bestätigen konnte, dann war er es. Oder zumindest würde er jemanden kennen, der dazu in der Lage war. Und wie konnte sie es Dan erzählen, wenn sie es Jake

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