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Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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vorenthalten hatte? Dabei ließ sich nicht leugnen, dass er ihr vielleicht helfen könnte. Seine eigene Doktorarbeit über die linguistischen Gemeinsamkeiten der Lakeland-Romantiker könnte ihr sehr wohl dabei helfen, herauszufinden, was an Wortwahl und Grammatikstrukturen typisch für Wordsworth war.
    Aber trotzdem legte sich ihr Widerstreben nicht. »Bitte, Dan. Glaub mir einfach.«
    »Jane, sieh mich an«, sagte er mit besorgter und ernster Stimme. Sie hob den Kopf. »Träume sind dazu da, dass man sie weiterverfolgt. Wie wirst du dich fühlen, wenn es etwas zu finden gibt, das aber von jemand anders entdeckt wird?« Diese Frage hatte sie sich selbst schon oft gestellt. Sie strich sich die Locken aus dem Gesicht und fasste einen Entschluss. »Wie gut kennst du das Dove-Cottage-Archiv?« Dan schien überrascht. Was immer er auch erwartet hatte, dachte sie, das war es nicht gewesen. »Ich habe dort nachgeforscht, als ich die linguistischen Vergleiche von De Quinceys frühen Werken und Wordsworths Prosa durchgeführt habe. Es ist ein sehr großes Archiv. Mehr als fünfzigtausend Bücher und Schriften oder so. So viele, dass man sie niemals endgültig katalogisiert hat. Jedenfalls wird bald eine neue Bibliothek mit einem Studienzentrum eröffnet, deshalb ist viel von dem Material vor dem Umzug in Kartons verpackt worden. Sie sind also mehr oder weniger unzugänglich für alle, die sie zu Studienzwecken unter die Lupe nehmen möchten.« Jane schwieg kurz und schüttelte den letzten Rest von Zweifel ab. Sie fuhr fort: »Ich wollte Briefe an Familienmitglieder untersuchen, und natürlich waren gerade die weggepackt, die ich brauchte. Aber ich kenne Anthony Catto, den Leiter des Zentrums, seit meiner Schulzeit. Ich habe als Studentin im Sommer öfter dort gearbeitet. Also habe ich Anthony überredet, mich herumstöbern zu lassen. Und unter all den Sachen, die ich zu finden erwartet hatte, stieß ich auch auf etwas, das ich nie in irgendwelcher Sekundärliteratur erwähnt gefunden hatte.«
    »Dramatische Pause«, sagte Dan trocken. »Komm, Jane, du spannst mich auf die Folter.«
    »Er steckte in einem falschen Umschlag, zusammen mit dem richtigen Brief, der darin sein sollte. Ich glaube, niemand hatte es bemerkt. Der Brief war nicht besonders wichtig, weißt du. Er war wahrscheinlich seit Jahren nicht mehr angerührt worden.« »Jane«, sagte Dan laut.
    Sie schloss einen Moment die Augen und versuchte, es sich in Erinnerung zurückzurufen. »Es war ein Brief von Mary Wordsworth an einen ihrer Söhne. John, nehme ich an, da sie Kinder, aber keine Frau erwähnt, und John Witwer war. ›Mein geliebter Sohn, ich hoffe, dass ihr alle, du und deine Kinder, bei guter Gesundheit seid. Ich habe dieser Tage etwas gefunden, das mir Sorgen macht - von der Hand deines Vaters geschrieben. Es mag dich überraschen, dass ich, obwohl wir so vertraut miteinander waren, zu seinen Lebzeiten nichts davon wusste, und ich wünschte mir sehr, es hätte so bleiben können. Du wirst sicher verstehen, dass dies ein Geheimnis bleiben musste, solange dein Vater noch lebte, und er hinterließ mir keine Anweisung, wie ich damit verfahren soll. Da es dich so direkt betrifft und dir vielleicht noch mehr Schmerz verursachen würde, will ich dir die Entscheidung überlassen, wie damit umgegangen werden soll. Ich übergebe dir die Sache also zu treuen Händen. Du musst so handeln, wie es dir recht erscheint.‹« Jane machte die Augen auf und sah Dan ernst an. »Verstehst du, was das bedeuten könnte?«
    Dan runzelte die Stirn. »Es könnte fast alles bedeuten, Jane«, sagte er sanft.
    »Nein, Dan. William und Mary führten eine sehr vertrauensvolle Ehe. Sie hatten keine Geheimnisse voreinander. Trotzdem waren sie gut darin, Familiengeheimnisse zu hüten. Sieh dir doch an, wie lange es dauerte, bis die Welt über Williams Affäre mit Annette Vallon und die uneheliche Tochter der beiden erfuhr. Über ganze Generationen kam kein Sterbenswörtchen über den Skandal heraus.« »Ja gut, ja gut, das gebe ich zu. Aber trotzdem ...« Jane war jetzt nicht mehr zu bremsen. »Wenn William etwas vor seiner Frau verborgen hielt, dann muss es etwas Wichtiges gewesen sein, bei dem es um Leben und Tod ging. Das ist die eine Seite der Sache. Die andere ist, dass die Angelegenheit auch seinen Sohn betraf. Also, John war mit Isabella Christian Curwen, der Tochter von Henry Christian Curwen, verheiratet. Und er war Fletcher Christians Cousin. Als Wordsworth starb, war Isabella

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