Das Moor Des Vergessens
wunderbar«, sagte er, während er sich ihr anschloss und seinen Koffer nach einem Paar Shorts durchsuchte. »Aber wie, um Himmels willen, können wir hier arbeiten?«
Caroline verstand ihn falsch und lachte. »Ich weiß. Es ist sehr verführerisch. Das Meer, der Strand, die Taverne. Es ist schwierig, aber ich denke immer daran, dass ich einen Aufenthalt von zwei Monaten pro Jahr hier nur rechtfertigen kann, wenn ich am Ball bleibe.«
»Nein, ich meine, rein technisch gesehen. Du hast keinen Computer, kein Fax oder Telefon, soweit ich sehen kann.« Shorts und T-Shirt in der Hand, richtete Caroline sich auf. »Also ehrlich, Jake, du lebst manchmal wirklich noch im zwanzigsten Jahrhundert. Laptop, Blackberry, drahtlose Internetverbindung, das ist alles, was ich brauche. Ich bekomme die Auktionskataloge online, und wenn ich bieten will, mach ich das per Handy. Und hier im Ort habe ich gute Kontaktleute, die Ausschau nach Dingen halten, die mich interessieren könnten. Glaub mir, es gibt hier ganz außerordentliche Objekte. Wunderschöne illustrierte Texte aus den Klöstern, herrliche Notenblätter aus dem Mittelalter, es rührt einen zu Tränen. Ich verspreche dir, du wirst nicht enttäuscht sein von dem, was wir auf dieser Reise finden werden. Ich bin jedes Mal wieder erstaunt, und es erinnert mich an die reine Freude bei dem Gedanken, dass diese wunderbaren Dinge durch meine Hände gehen. Du wirst schon sehen.« »Ich dachte, dass man es hier ziemlich genau nimmt, wenn es um Antiquitäten geht, die außer Landes gebracht werden?«, fragte Jake so nebenbei, während er seine vom Flug und der Fahrt verschwitzten Jeans auszog.
»So ist es auch. Aber es gibt immer Möglichkeiten«, erwiderte sie in einem Ton, der weitere Fragen nicht zuließ. Inzwischen war ihm klar, was sie damit meinte. Für jemanden, dessen Hauptgeschäft im Kaufen und Verkaufen von Schriftstücken bestand - authentische Briefe, alte und neue Manuskripte, illustrierte Notenblätter -, war es leicht, illegal erworbenes Material nach England zu schicken. Solange der Umschlag nach unauffälliger Geschäftspost aussah - etwa einer Werbebroschüre für eine Villa oder einem Prospekt für ein neues Baugebiet -, würde niemand bei der britischen Post es sich genauer anschauen. »In den zwölf Jahren, seit ich das so mache, ging nur eine Sendung in der Post verloren«, hatte ihm Caroline nüchtern erklärt, als sie zum ersten Mal zur Hauptpost in Chania gegangen waren, »und die war nicht besonders wertvoll. Die Leute fangen nur an, sich für die Dinge zu interessieren, wenn man sie als Einschreiben schickt und versichert. Sonst wird es selbstverständlich als einfache Postsendung behandelt und geschickt.«
Bald verliefen ihre Tage nach einem bestimmten Rhythmus. Sie schliefen lange, dann fuhr Jake nach Horafakia und holte frisches Brot, Obst und Joghurt. Sie frühstückten auf der Terrasse und gingen dann zum Schwimmen an den Strand. Manchmal fuhren sie nach Chania, damit Caroline einen ihrer griechischen Kontaktleute treffen konnte, die gelegentlich ein Stück mitbrachten, das ihm den Atem verschlug. Sonst schrieb Caroline E-Mails und erledigte Anrufe, während Jake Auktionskataloge las oder sich mit einem Buch in die Sonne setzte. Ab und zu vertieften sie sich in ein Manuskript, sprachen über die Handschrift des Verfassers, woher es wohl stammen und was es schließlich bringen könnte. Er war angenehm überrascht, wie viel er von Caroline lernte. Auf das Mittagessen in der Taverne folgte Sex, dann schliefen sie, nahmen Drinks und spielten Backgammon. Abends fuhren sie irgendwohin zum Essen. Der Tag wurde mit einer weiteren Runde Sex beschlossen. Jake begann nach und nach zu begreifen, warum Caroline gerne jüngere Liebhaber hatte. Männer ihres Alters, das wurde ihm glaubhaft versichert, hatten im Allgemeinen nicht die Vitalität, um ihren Anforderungen zu genügen. Es störte ihn nicht. Er hatte gern Sex, und sie war eine begeisterte und phantasievolle Partnerin. Was ihn aber doch störte, war die Langeweile, die sich langsam immer öfter an die Oberfläche seines Bewusstseins stahl. Wie die meisten Männer Ende zwanzig hatte er von einem solchen Leben geträumt. Sonne, Meer, Sex und eine reife Frau, die einen aushielt und alles zahlte. Caroline war eine amüsante Gefährtin mit boshaftem Humor, klammerte nie und war meist ausgeglichener Stimmung und großzügig bei der Weitergabe ihres Wissens. Aber trotzdem verspürte Jake eine gewisse
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