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Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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übertrieben, anzunehmen, dass ihm dieser Gedanke schon durch das vertraut war, was er über die Bounty wusste.« Professor Elliot schüttelte den Kopf. »Aber Ihre Zeitangaben sind ganz sicher falsch. Coleridge schrieb Die Ballade vom alten Seemann, als er mit Wordsworth zusammen in Dorset war. Das ist viel zu früh, um Fletcher Christians Rückkunft in England zu datieren. Und bestimmt gibt es keinen Grund, anzunehmen, dass er in Dorset war.« Jane nickte. »Ich behaupte nicht, dass Wordsworth die Geschichte damals aus erster Hand von Fletcher erfuhr. Aber ich glaube, sie weist auf ein vorhandenes Interesse an der Meuterei hin. Und Edward Christian war für ihn die perfekte Quelle, um seine Neugier zu befriedigen. Edward wird bestimmt von den Meuterern, die nach England zurückgebracht wurden, oder durch Blighs Berichte von der Tötung des Albatros gehört haben. Ein solches Detail ist genau das, was Wordsworth besonders beeindruckt hätte. Und wenn William schon Interesse an der Meuterei gezeigt hatte, gab es doch einen Grund mehr für Edward, Fletcher zu ihm zu schicken, als der endlich nach Hause kam.« Professor Elliot antwortete mit einem Lächeln, das sich kaum anders als herablassend nennen ließ. »Diese These ist noch dürftiger als die einer mutmaßlichen Verbindung zwischen Leiche und Brief. Was lässt Sie vermuten, dass es von besonderer Dringlichkeit ist, die Interpretation des Briefes vorzunehmen?«
    Jane hatte die drei Stunden, seit sie mit Dan zusammengesessen hatte, genutzt, um ihre Argumente zu ordnen. »Nicht nur die Leiche macht die Sache dringender. Das Jerwood Centre der Wordsworth-Stiftung wird demnächst seine Pforten öffnen. Eher früher als später wird jeder Fetzen Papier in dem Archiv unter die Lupe genommen werden. Und wahrscheinlich wird derjenige, der Marys Brief findet, kenntnisreich genug sein, dass ihm klar ist, was er da vor sich hat, und dass es weiter untersucht werden muss. Ich habe diesen Brief gefunden und will diejenige sein, die sich auf die Spurensuche begibt, wohin immer diese Suche führen mag.« Professor Elliot seufzte. »Das kann Ihnen aber doch nicht neu sein, Jane. Sie haben diesen Brief vor einem Jahr gefunden. Warum haben Sie sich nicht früher darum gekümmert?
    Während der langen Semesterferien, zum Beispiel? Warum haben Sie bis Semesterbeginn gewartet, wo Sie Kurse zu geben haben?«
    Jane spürte Zorn in sich aufsteigen und versuchte, gelassen zu bleiben. »Maggie, vielleicht ist es Ihnen nicht klar, aber ich verdiene hier nicht genug mit meiner Arbeit an der Universität, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Ich habe einen großen Teil des Sommers in einem Lokal gearbeitet und den Rest mit dem Versuch zugebracht, meine Dissertation zu einem Buch umzuarbeiten, da ich erstaunlicherweise ein Angebot zur Veröffentlichung bekommen habe. Aber selbst wenn wir annehmen, ich hätte die Zeit gehabt, der Sache nachzugehen, war ein großer Teil des Wordsworth-Archivs wegen der Renovierungs- und Umbauarbeiten geschlossen. Daran hätte ich nichts ändern können, selbst wenn ich gewollt hätte. Ja, die Leiche erhöht meiner Meinung nach den Zeitdruck, aber das ist bei weitem nicht die einzige Überlegung.«
    Die Institutsleiterin lächelte, diesmal ohne herablassend zu wirken. »Ich habe dafür Verständnis, Jane. Glauben Sie mir, wenn ich eine Möglichkeit hätte, Sie und Ihre Kollegen besser zu bezahlen, würde ich es tun. Ich verstehe, welch negative Auswirkung das auf Ihre Forschungstätigkeit hat. Obwohl Sie das anscheinend angenommen haben, schließe ich die mögliche Bedeutsamkeit der im Moor gefundenen Leiche durchaus nicht aus. Wenn sich herausstellt, dass es sich um Fletcher Christian oder auch um ein anderes Mitglied der Besatzung der Bounty handelt, würde es die Chancen für die Existenz eines solchen Manuskripts, von dem Sie sprechen, beträchtlich erhöhen.« Sie zog die Tastatur ihres Computers zu sich heran und warf Jane einen kurzen Blick über die Brillengläser zu. »Es mag Ihnen merkwürdig vorkommen, aber ich habe durchaus noch eine Erinnerung an das aufregende Gefühl einer wissenschaftlichen Neuentdeckung. Sie ist nicht völlig von der Bürde der Verwaltungsarbeit verdrängt worden.« Nach einem Mausklick schaute sie auf den Bildschirm. »Sie halten zwei Seminare pro Woche und betreuen drei Studenten, stimmt das?« »Ja. Aber ...«
    Professor Elliott bat mit erhobenem Finger um Ruhe, während sie auf dem Institutsstundenplan hin und her fuhr.

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