Das Moor Des Vergessens
beschlagen.«
»Du kannst das doch nicht ernst nehmen«, protestierte Jake, und der Zorn darüber, dass sie schon wieder einfach über ihn hinwegging, brodelte unter der Oberfläche. »Du stehst erst am Anfang deiner Karriere in diesem Geschäft, Jake. Kannst du es dir leisten, so etwas nicht ernst zu nehmen?«
Ich sagte ihm, ich sei geneigt, seine Bitte wohlwollend zu überdenken, dass ich aber unerfreuliche Folgen befürchtete, sollte ich einen solchen Bericht veröffentlichen. »Du wirst gesucht, und wenn ich behaupte, in meinem Gedicht die Wahrheit zu sagen, würde das gleiche Verhängnis über mir schweben. Einem bekannten Verbrecher Unterschlupf zu gewähren ist ein Vergehen gegen Seine Majestät, und ich möchte nur sehr ungern meine Frau des Ehemanns und meine Kinder ihres Vaters berauben, auch wenn es darum geht, die Ehre eines alten Freundes, wie du es bist, zu verteidigen, außerdem würde es eine große Jagd nach dir an diesem Ort auslösen, wo du dich am sichersten fühlst.« Diese Befürchtung war meinem Freund noch nicht gekommen, aber er begriff schnell, wie begründet sie war. »Ich sorge mich nicht meinetwegen darum, was geredet wird, sondern wegen meiner Familie«, sagte er. Schließlich kamen wir überein, dass bis nach unser beider Tod nur wir davon erfahren sollten, wenn ich sein Schicksal in Verse fasste. So würden wir uns selbst schützen und gleichzeitig seinen Ruf wiederherstellen.
7
Professor Maggie Elliot schaute über die randlosen Brillengläser auf ihrer Nase hinweg. »Mir scheinen hier zwei unterschiedliche Dinge vorzuliegen, Jane. Einmal der Brief von Mary Wordsworth, der auf etwas anspielt, das unseres Wissens in der Fachliteratur noch nie erwähnt wurde. Das Zweite ist der Fund einer Leiche im Lake District, die die für die Südseeinseln in der Zeit der Meuterei auf der Bounty typischen Tätowierungen aufweisen mag oder auch nicht. Würden Sie dieser Analyse der Dinge zustimmen?« Jane rutschte auf ihrem Stuhl herum. »Nun, ja.« »Aber Ihres Erachtens könnten diese beiden Faktoren untrennbar miteinander verbunden sein? Und das auf der Grundlage eines Gerüchts, das Sie als Kind gehört haben?« »Ein Gerücht, das sich seit fast zweihundert Jahren hält«, sagte Jane mit einem eigensinnigen Ausdruck im Gesicht. »Aber immerhin nur ein Gerücht.«
Jane hasste Professor Elliot wegen ihres professoralen Gehabes eines Vertreters altehrwürdiger Eliteuniversitäten, obwohl sie ihre drei akademischen Qualifikationen an banalen modernen Unis erworben hatte. Ihrem Alter entsprechend hätte sie eher als lockere Anhängerin demokratischer Neuerungen und nicht als verknöcherte alte Schachtel auftreten sollen, die sich zwanzig Jahre älter und in ihrer sozialen Stellung mehrere Stufen höher platziert gab, als es tatsächlich der Fall war. »Ein Gerücht, das sich auf eine beträchtliche Anzahl von Indizien stützen kann«, sagte Jane, entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen. »Wie ich Ihnen schon berichtet habe. Und dann gibt es da noch eine andere Sache ...«
Professor Elliot zog fragend die Augenbrauen hoch. »Ja?« »Eines der Notizbücher von Samuel Taylor Coleridge im Britischen Museum enthält den Vermerk: ›Abenteuer von Christian, dem Meuterern‹ Es ist das gleiche Heft, in das er seine Notizen während der Arbeit an der Ballade vom alten Seemann eintrug. Und wenn man das Gedicht im Licht dieser Eintragung liest, ist es nicht schwierig, Verbindungen zur Fahrt der Bounty zu finden.« »Welche, zum Beispiel?«
»Die schrecklichen Stürme, denen sie auf der Fahrt um das Kap der Guten Hoffnung ausgesetzt waren. Der Kurs, auf dem sie südwärts in Richtung der Eisregionen abgetrieben wurden, bevor sie es bis in die Südsee schafften. Und der Albatros. Es ist historisch belegt, dass die Mannschaft der Bounty während ihrer Reise Albatrosse erlegt und verzehrt hat. Soweit ich weiß, gab es damals keinen Aberglauben in Bezug auf das Töten dieser speziellen Vogelart. Aber damit sein Gedicht Sinn machte, brauchte Coleridge eine Metapher für den Begriff der Sünde. Und das Töten eines schönen umherschweifenden Vogels erschien seiner romantischen Seele als das vollkommene Bild dafür.« Jane zeichnete mit den Händen eine anschauliche Skizze in die Luft, als sie den Vogel beschrieb. »Aber wir wissen auch aus zeitgenössischen Berichten, dass es Wordsworth war, der bei einem ihrer Spaziergänge auf die Idee mit dem Albatros kam. Ich glaube, es ist nicht
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