Das Moor Des Vergessens
Unzufriedenheit.
Er hatte keine Gewissensbisse, denn er hatte sich eingeredet, dass er recht daran tat, Jane nicht die ganze Wahrheit über Caroline zu sagen. Das würde sie nur verletzen. Und er hatte erklärt, dass es gute praktische Gründe dafür gebe, dass er und Jane die Bande ihrer Beziehung lockerer gestalteten; er würde beruflich reisen, zwei Monate in Griechenland bleiben müssen, und es wäre Jane gegenüber nicht fair, auf ihn warten zu müssen. Er hatte gesagt, dass Caroline Anfang vierzig sei, hatte aber vermieden, ihren schlanken, geschmeidigen Körper, ihre wohlgeformten Beine, ihre dunkelblonde Mähne oder ihre funkelnden grünen Augen zu erwähnen. Oder dass der Sex mit Caroline ein atemberaubendes Abenteuer gewesen war, gleich von ihrer ersten von Kokain angeheizten Begegnung auf Tom D'Arblays Party an. Das war die Party, zu der Jane nicht mitkommen konnte, weil sie einen Vortrag bei diesem blöden langweiligen Symposium in Cardiff halten musste.
Er hatte es nur für einen One-Night-Stand gehalten. Niemand war mehr überrascht als er, dass Caroline ihm am nächsten Tag eine SMS schickte und vorschlug, sich doch auf einen Drink zu treffen. Beim Cocktail in einer schicken Bar in Soho war Caroline klug und hinreißend gewesen und zeigte ihm eine Originalhandschrift von John Keats, die sie an diesem Nachmittag gekauft hatte. Dann machte sie ihm einen Vorschlag. Sie hatte es satt, die ganze Organisation allein zu machen, und suchte einen Teilhaber für ihre Firma, der ihr half, seltene Dokumente zu kaufen und zu verkaufen. Er sei derjenige, den sie sich dafür wünsche, sagte sie. Er wüsste genug über die technischen Aspekte der Dinge, die sie kaufen und verkaufen würden, sodass er nicht auf eindeutige Fälschungen und gefälschte Herkunftsangaben hereinfallen würde. Offensichtlich sei er klug und ehrgeizig. »Und Sie sind auch ziemlich gut im Bett«, hatte sie hinzugefügt und ihm über ihr Glas hinweg anzüglich zugelächelt. Sie hatte ihm eine Woche Zeit gegeben, darüber nachzudenken. Er hatte sich schon am nächsten Morgen entschieden. Sein Chef war wütend und Jane entsetzt, dass er die Stelle im Museum aufgab, eine Arbeit, bei der Integrität und Hingabe als wichtig galten, um sich der gnadenlosen Welt der Sammler und Spieler zuzuwenden, und sein Vater hatte ihn davor gewarnt, was passiert, wenn schöne Frauen sich langweilen. Nichts davon war ihm wichtig gewesen, denn Jake hatte zum ersten Mal seit langem Spaß am Leben. Kreta schien ihm nur das Sahnehäubchen zu sein.
Bis die Realität seine Phantasiewelt einholte und er sich zum ersten Mal, seit er dreizehn Jahre alt war, langweilte. Jake hielt vor dem Häuschen an. Er fuhr sich durch seinen dichten dunklen Haarschopf und fragte sich, ob Caroline die Bedeutung der Zeitungen begreifen würde. Er nahm die Einkäufe und legte alles, was er gebracht hatte, zu dem, was schon auf dem Tisch auf der Terrasse lag. Caroline kam gerade mit einem Krug frisch gepresstem Saft aus dem Haus, als er sich auf einen Stuhl fallen ließ und die Zeitungen wie einen Schild vor seine Brust hielt.
Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. »Gut gemacht, Jake«, sagte sie und füllte die Gläser. »Was?«
»Du hast länger ausgehalten als alle anderen, die ich hierher mitgenommen habe. Drei Wochen und zwei Tage. Das ist ein Rekord.« Sie beugte sich vor und küsste ihn, fuhr ihm mit einer Hand durch die Haare und ließ die andere vorn über seine Shorts gleiten.
»Es macht dir nichts aus?«, sagte Jake, der sich ertappt fühlte.
»Warum sollte es mir etwas ausmachen? Ich bin kein Vogel Strauß. Ich bin nicht hier, um vor etwas zu fliehen.« Sie ließ sich elegant auf ihren Stuhl gleiten und zog die Sonnenbrille vom Haar herunter vor die Augen. »Ich bin hier, weil ich es so mag und weil ich hier sein kann, ohne mein Leben oder meine Geschäfte zu gefährden. Der einzige Grund, weshalb ich dich nicht jeden Morgen eine Zeitung von Koutras mitbringen lasse, ist, dass ich das Zeug online lese, Schätzchen.«
Sie vertieften sich in die Zeitungen, wobei Carolines Herablassung Jake bedrückte. Er fing an, sich zu fragen, wie ernst sie sein Wissen nahm. Allzu oft fühlte er sich wie ein Gigolo, der nur wegen seiner Qualitäten im Bett geschätzt wurde und nicht wegen seiner überragenden geistigen Fähigkeiten. Er bekam das, was er las, nur halb mit, aber als sein Blick auf einen vertrauten Namen fiel, hielt er inne und fing an, den Artikel noch einmal zu lesen. »Das
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