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Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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herumschwirrte. Seit ihre Mutter gestorben war, hatte sie sich nie erlaubt, sich irgendwo als dazugehörig zu fühlen. Sharon wollte sie nicht haben, das wusste sie. Ihre Tante handelte aus Pflichtgefühl, nicht aus Liebe. Ohne ihre Mum war Tenille von der Welt abgekoppelt, mit nichts verbunden und frei. Sie hatte sich selbst glauben machen wollen, es sei am besten, so zu leben, und zum Teil war ihr das auch gelungen. Als ihr jemand zum ersten Mal sagte, der Hammer sei ihr leiblicher Vater, hatte dieser Teil von ihr, der sich so unabhängig fühlte, es nicht glauben wollen. Sie hätte es damals nicht ausdrücken können, aber es hatte etwas damit zu tun, dass sie keine solche Verbindung wollte, weil sie sich dadurch, dass sie mit jemandem verbunden war, verletzlich machte.
    Die Erkenntnis, dass der Hammer, selbst wenn er ihr Vater war, nichts mit ihr zu tun haben wollte, hatte bewirkt, dass sie sich bei dem Gedanken fast wohl fühlte. Er hatte ihre Existenz nie anerkannt, und schon gar nicht irgendeine Beziehung zwischen ihnen. Nie hatte er die Dinge getan, zu denen sich selbst hoffnungslos schlechte Väter, die nie da waren, gelegentlich durchrangen. Nie kam er an Weihnachten mit einem Arm voll schlecht verpackter, teurer und unpassender Geschenke. Auch setzte er sich beim Krippenspiel in der Schule nie heimlich in die letzte Reihe. Nie war er mit ihr ins Kino oder zu McDonald's gegangen. Kurz gesagt, er hatte nie das geringste Interesse an ihr gezeigt. Und das machte es nur noch unwahrscheinlicher, dass er etwas tun würde, um sie gegen Geno zu verteidigen. Was würde es schließlich über ihn aussagen, wenn er es täte? Es wäre so, als würde er vom obersten Stock im Block D bekannt geben, dass sie seine Tochter sei. Er würde vielleicht plötzlich beschließen, dass er die anderen Dinge tun wolle, zu denen ein Vater verpflichtet war, zum Beispiel darauf achten, dass sie zur Schule ging, und all den Mist. Diese Art von Zwang wollte Tenille wirklich nicht in ihrem Leben haben.
    Andererseits wollte sie, verdammt noch mal, auch Geno auf keinen Fall in ihrem Leben. Und wenn der Hammer nichts dagegen unternahm, war sie nicht sicher, wie sie das schaffen konnte. Es war ja nicht so, dass sie jemanden kannte, der gegen Geno ein Gegengewicht hätte schaffen können, und sie konnte es sich nicht leisten, einen der Schläger aus der Siedlung zu beauftragen, ihm Bescheid zu stoßen. Sie fluchte leise vor sich hin, schaltete den Computer an und beschloss, nicht mehr daran zu denken.

 
     
     
    Ich schreibe dies auf wie es mir in den Worten meines Freundes berichtet wurde:
    Ich war zuvor schon mit Leutnant Bligh gesegelt, bevor ich für die Reise auf der Bounty anheuerte, und hatte ihn als einen Mann kennen gelernt, dessen Stimmungen unmöglich vorherzusagen waren. Wenn während der Reise alles gut ging, war er die Liebenswürdigkeit selbst. Ich hatte Gelegenheit, dies öfter als die meisten anderen zu erfahren, denn auf der ersten Reise wollte er mich immer in seiner Nähe haben und lud mich oft zum Abendessen in seine Kajüte ein. Aber wenn unerwartet etwas an Bord misslang, war er cholerisch und unbeherrscht und suchte immer einen anderen, dem er die Schuld zuschieben konnte. Niemals wurde ein Tadel gegen ihn selbst ausgesprochen. Er war auch sehr bedacht auf seine Stellung und verlangte als sein Recht den Respekt, der einem Kapitän entgegengebracht werden muss. Bligh verschenkte durch seine scharfe böse Art die Gelegenheiten, bei denen die Männer sich eine gute Meinung von ihm hätten bilden können. Seeleute sind nicht für ihre feine Ausdrucksweise bekannt, aber selbst unter Deck in den scheußlichsten Situationen habe ich nie so unflätige Reden gehört, wie Bligh sie führte, wenn er Verachtung und Wut herausließ. Aber er war ein guter Steuermann, und ich wusste, dass ich an seiner Seite viel lernen konnte, und so war ich bereit, über meine bösen Ahnungen hinwegzusehen und ihn wieder zu begleiten, dazu noch auf einer so langen Reise.

10
    Sogar die Luft roch anders, dachte Jane, als sie den Bahnsteig in Oxenholme betrat. Sie erblickte ihren Vater beim Ausgang und winkte ihm fröhlich zu. Allan Gresham hob zur Antwort leicht die Hand, als kleine Geste eines bescheidenen Mannes, dem bei seinen Herdwickschafen auf dem Hochmoor wohler war, als es ihm jemals dort sein würde, wo viele Menschen zusammenkamen. Jane stellte ihre Tasche ab, schlang die Arme um ihn und küsste ihn flüchtig auf die raue Wange. »Danke,

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