Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
Bewaldeth. Die Fahrt von Carlisle nach Keswick war nicht nur angenehm, es war reine lebende Poesie.
    Sie bog nach links auf die gewundene Straße ab, die zwischen dem bewaldeten Gebirgsmassiv von Skiddaw und dem langgestreckten Bassenthwaite hindurchführte. Überall um sie herum verfärbten sich die Blätter der Bäume. Auf den Bergen wurden vor dem kräftigen Hochlandgras, das durch die Sommerregen noch ein lebhafteres Grün als gewöhnlich hatte, die Farne braun. Der See glitzerte dunkelblau in der Herbstsonne, und River war beglückt, nicht nur am Leben, sondern auch in dieser atemberaubend schönen Natur zu sein.
    Sie fragte sich, wie wohl die letzte Reise des Moorpiraten oberhalb von Coniston Water verlaufen war. Wenn sie Glück hatte, konnten die Paläobotaniker ihr vielleicht sagen, in welcher Jahreszeit er gestorben war. Aber niemand würde je wissen, ob er seinen letzten Weg bei Tag oder Nacht, bei Sonnenschein, Regen oder Nebel zurückgelegt hatte. Hatte er die Schönheit wahrgenommen, die ihn umgab, oder war er einer von denen gewesen, die ihre Umgebung nicht beachtet hatten? War dies hier seine Heimat, oder war er nur auf dem Weg zu einem anderen Ziel hier durchgekommen? Das wenigstens war etwas, was sie letzten Endes wahrscheinlich würde beantworten können. Und wenn sie erst einmal festgestellt hatte, wie alt die Leiche war, würde sie zeitgenössische Zeichnungen und Gemälde aufspüren können, die vielleicht zeigten, was ihr Toter gesehen hatte, als er über diese Hügel gewandert war. All dies würde die Fernsehdokumentation bereichern und zugleich ihren eigenen Wissensdrang befriedigen.
    Ihre Überlegungen lösten sich auf, als sie die Randbezirke von Keswick erreichte und sich auf den Weg konzentrieren musste. Sie fuhr auf den Besucherparkplatz vor dem Polizeirevier, eilte hinein und setzte für die Begegnung mit DCI Rigston ihre professionelle Miene auf. Es tat ihr fast leid, dass sie nicht zusammenarbeiten würden. Schon als er ihr die ersten kurzen Informationen gab, hatte sie ihn gemocht, was bei ihrer Zusammenarbeit mit Polizeibeamten nicht allzu oft vorkam.
    Der Mann in Zivil am Empfangstisch wies ihr den Weg zur Kantine, wo sie Rigston fand, der ein Schinkenbrötchen verzehrte. Er stand sofort auf, und nachdem er sich die Finger an einer Papierserviette abgewischt hatte, schüttelte er ihr die Hand. »Darf ich Ihnen etwas zu essen holen? Ich wurde extra früh zum Dienst gerufen, hab das Frühstück verpasst«, sagte er und wies entschuldigend auf seinen Teller. »Lassen Sie sich nicht stören, ich brauche nichts«, sagte River und setzte sich ihm gegenüber. »Es tut mir leid, dass ich Sie beim Essen störe, aber es wird nicht lange dauern. Ich dachte, Sie würden wahrscheinlich gern wissen, was meine Voruntersuchungen mich vermuten lassen: Der Fall dieser Leiche liegt völlig außerhalb Ihres Zuständigkeitsbereichs.« Rigston grinste und zeigte eine Reihe ebenmäßiger weißer Zähne. »Hab ich mir schon gedacht«, sagte er. »Aber ich bin trotzdem froh, es offiziell bestätigt zu bekommen. Wissen Sie, wie lange er dort drin gelegen hat?« »Beim jetzigen Stand der Untersuchungen ist es schwierig, etwas Genaues zu sagen, aber schätzungsweise seit der Zeit zwischen 1785 und 1815. Das ist allerdings nur so über den Daumen gepeilt«, fügte sie hastig hinzu. »Nageln Sie mich nicht darauf fest. Ich werde eine bessere Antwort haben, wenn wir mit der Untersuchung fertig sind.«
    »Sie werden ihn also der ganzen Bandbreite von Tests unterziehen?« Rigston sah etwas überrascht aus. »Das volle Programm. Und das Beste daran ist, ich habe jemanden, der dafür zahlt.« Während sie sprach, sah sie ihm beim Essen zu. Man konnte an der Art und Weise, wie ein Mensch aß, viel über ihn erfahren. Ewan Rigston nahm kleine Bissen und kaute sorgfältig mit geschlossenem Mund, bevor er schluckte. Zwischen den Bissen hielt er inne und überlegte, wo er weitermachen wollte. Also kein Mann, der die Dinge anging wie ein wilder Stier. Gemessen, nachdenklich und vielleicht ein bisschen gehemmt, dachte sie. »Wie haben Sie das geschafft?«
    »Northern TV wird die ganze Sache filmen. Sie machen eine Dokumentarserie über meinen Moorpiraten.« »Schön für Sie. Vielleicht könnte ich die als Sponsor für meine Ermittlung zu einem bewaffneten Überfall gewinnen«, fügte er bitter hinzu. »Aber was ist das mit dem ›Moorpiraten‹?«
    »Sie haben immer gern einen netten einprägsamen Namen. Wir haben ihn im

Weitere Kostenlose Bücher