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Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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räusperte sich gründlich. »Nicht seit sie diesen Freund losgeworden ist. Nichtsnutziger Flegel. Ich hab ihr gesagt, du hast was Besseres verdient. Aber die Jungen lassen sich ja nichts sagen, was? Sie müssen ihre eigenen Fehler machen.«
    »Sind Sie sicher, dass es nicht noch jemanden gibt, der einen Schlüssel hat?« Noreen zog die Nase so laut hoch, dass Tenille das Pfeifen in ihrer Luftröhre hören konnte. »Sie können mir glauben, wenn jemand da drin wäre, würd ich es wissen. Die Wände sind so dünn, dass man eine Maus furzen hört.« Pause. Dann schaltete sich die Polizistin wieder ein. »Kennen Sie Tenille Cole?«
    »Ich kenne Tenille. Sie ist in Ordnung. Hat 'n Mundwerk wie manche von den schwarzen Schlampen.« »Haben Sie Tenille heute schon gesehen?« »Hab Ihnen ja grade gesagt, dass Jane weg ist. Jesses, was soll Tenille hier machen, wenn Jane weg ist?« »Sie hat keinen Schlüssel zu der Wohnung?« Noreen hustete lange und heftig. »Jane ist doch nicht blöd. Sie hat 'n Auge auf Tenille, aber so was Dummes würd sie nicht machen. Ich sag Ihnen, ich hab Tenille nie in der Wohnung gesehen oder gehört, ohne dass Jane da war. Ach, Moment mal«, sagte sie, und die Erkenntnis schien sie anzuregen. »Sagen Sie bloß, Sie wollen Tenille in die Schuhe schieben, sie hätte den schwarzen Gockel erschossen, mit dem ihre Tante ins Bett gegangen ist?« »Über Angelegenheiten der Polizei kann ich nicht sprechen, Mrs. Gallagher.« Diese Polizistin konnte sich behaupten, das war offensichtlich.
    »Komisch, so dumm sehen Sie gar nicht aus«, sagte Noreen. »Aber das Aussehen kann natürlich täuschen. Jedenfalls kann ich Ihnen sagen, wenn Sie das so angehen, machen Sie sich lächerlich. Es gibt hier viele, die einen umbringen würden, sobald sie einen sehen, aber Tenille gehört nicht dazu. Also, ziehen Sie ab und verschwenden Sie nicht weiter meine Zeit.«
    Nach dem Gemurmel mehrerer Stimmen steigerte sich Noreen Gallaghers Stimme zu einem richtigen Keifen. »Ihr brecht diese Tür nicht auf. Was habt ihr vor, verdammt noch mal? Ich sag euch doch, da ist niemand drin. Jane Gresham ist eine anständige Frau, sie hat Wertsachen in der Wohnung. Ich guck doch nicht zu, wie ihr ohne guten Grund ihre Tür aufbrecht, dann lasst ihr alles offenstehen für die Gauner hier, die alles bis auf die nackten Wände mitgehen lassen. Gar nicht zu reden davon, dass sie zu denen gehört, die Rechtsanwälte kennen, die Sie dafür bis auf Ihr letztes Hemd verklagen würden.«
    »Treten Sie von der Tür zurück.«
    Diesmal war es eine Männerstimme. »Ich will Sie nicht festnehmen müssen.« »Schon gut, Sergeant.« Die Polizistin hatte wieder die Führung übernommen. »Mrs. Gallagher hat Recht. Wir machen es so, Mrs. Gallagher. Ich lasse einen Mann hier, der Miss Greshams Wohnung bewacht, und wir werden Kontakt mit ihr aufnehmen und diese Sache klären. Also, wissen Sie, wohin sie im Lake District gefahren ist?« »Ich habe keine Ahnung. Wo ihre Familie wohnt. In irgendeinem Dorf, nicht in einer Stadt. Das ist alles, was ich weiß. Bei ihrer Arbeit werden sie es wissen, oder?« »Das werden wir versuchen. Vielen Dank, Mrs. Gallagher.« »Nächstes Mal könnten Sie ein bisschen leiser sein.« Stoßweise hustend entfernte sie sich. Tenille hörte noch ein letztes Krächzen von ihr durch die Wand. Scheiße, Scheiße, Scheiße, dachte Tenille. Was jetzt? Sie konnte nicht hier blieben, das stand fest. Und wenn ein Bulle vor der Tür stand, konnte sie die Wohnung auch nicht verlassen. Sie war total aufgeschmissen.
    Jane gähnte und streckte sich, denn ihr Rücken war steif, da sie schon stundenlang über den langweiligsten Schriftstücken hockte, mit denen sie es je zu tun gehabt hatte. Ihre Augen taten vom Entziffern verschiedener Handschriften weh, von denen manche einhundertfünfzig Jahre alt waren. Es waren Familienbriefe, Bruchstücke von Reiseberichten, selbst Anweisungen an einen Maurer zur Errichtung eines Milchschuppens auf einer nicht näher benannten Farm. Aber bis jetzt war weder etwas in William Wordsworths eigener Handschrift aufgetaucht noch irgendetwas, das mit Mary
    Wordsworths rätselhaftem Brief zu tun hatte. Nichts außer schrecklich langweiligen, profanen Dingen in den Worten derer, denen die literarische Begabung des Dichters oder seiner Tagebuch führenden Schwester Dorothy fehlte. Jane sah auf ihre Uhr. Noch eine Viertelstunde, dann mal schauen, ob ein Kaffee ihre Lebensgeister so weit wecken würde, dass sie

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