Das Moor Des Vergessens
Familie. Meinst du, sie hätten jemals irgendeinen Fetzen Papier weggeworfen?«
»Es ist eine gute Methode, um Dinge unter Verschluss zu halten, die die Leute nicht erfahren sollen«, sagte Anthony und schob einen Stoß Bücher auf dem Boden zur Seite, um mehr Platz für Janes Arbeit zu schaffen. »Man erweckt durch die bloße Menge des vorhandenen Materials den Eindruck von Offenheit. Und weil so viel vorliegt, denkt niemand daran, nachzufragen, was vielleicht nicht dabei sein könnte. Erst wenn Skelette wie Annette Vallon aus dem Schrank fallen, wird uns klar, dass wir uns manipulieren ließen.« Er lächelte. »Aber selbst die effizienteste Taktik ist nur so gut wie die Menschen, die sie anwenden. Und ab und zu schlüpft etwas durch die Maschen. Wie zum Beispiel Marys Brief. Wenn er dich dorthin führt, wo du hinwillst, wirst du in die Annalen der Literaturgeschichte eingehen.« Jane zuckte die Schultern. »Aus diesem Grund tue ich das nicht.«
»Das weiß ich.« Anthony zwinkerte, und sein Lächeln wurde breiter. »Du willst es lesen, oder?« »Ja. Die Meuterei auf der Bounty, das ist ein außergewöhnlicher Stoff. Und wenn ich Recht habe, bekam ihn William auf der Höhe seiner schöpferischen Kraft in die Hände. Ich will sehen, was er daraus gemacht hat.« Sie breitete die Arme aus. »Es geht dabei genau um meine Spezialität. Williams Persönlichkeit und seine poetische Begabung - angewendet auf eine Geschichte, die damals sehr brisant war. Und wie geheim er das alles hielt, das ist absolut typisch für ihn.« »Schon ein interessanter Gedanke, nicht wahr? Diese Vorstellungskraft, die ein gewaltiges Rohmaterial verarbeitet. Es könnte möglicherweise das Beste sein, was er je schrieb.« Jane überfiel ein leichtes Zittern. »Lass das, Anthony. Ich kann es mir nicht leisten, so etwas nur zu denken. Ich könnte mich täuschen. Oder ich könnte Recht haben, und das Material existiert vielleicht nicht mehr. Ich muss versuchen, mit beiden Beinen auf der Erde zu bleiben.« »Ich verstehe. Viel Glück, Jane. Ich bin den ganzen Tag da, falls du mich brauchst. Entweder im Büro oder im Museum.«
Er schlüpfte aus der kleinen Kammer hinaus und überließ Jane ihren Papieren. Sie nahm den Deckel des ersten Kartons ab und schaute hinein. Er war bis oben voll mit Pappheftern und einem Stoß brauner Kuverts. Jemand hatte zumindest die einfachsten Vorkehrungen getroffen, um dieses Material zu erhalten, selbst wenn man es noch nicht in den Katalog aufgenommen hatte. Mit einem Seufzer nahm Jane das erste Kuvert aus der Schachtel und begann mit ihrer mühsamen Arbeit.
DI Donna Blair blickte über die Schulter zurück, ob der Streifenwagen mit den Uniformierten hinter ihr anhielt. Sie wusste, dass ihre männlichen Kollegen insgeheim über sie feixten, weil sie sich geweigert hatte, ohne Unterstützung durch die uniformierten Beamten an die Türen in Marshpool zu klopfen, aber sie machte sich nichts daraus. Außerdem würden sie sich auch nicht gerade freuen, wenn sie sich ohne Begleitschutz in die Krisenzone vorwagen sollten. Der einzige Unterschied war, dass die Kerle einen Vorwand finden würden, indem sie das angebliche Bedrohungspotential hochspielten. Wie zum Beispiel durch einen Tipp von einem ihrer Spitzel, dass der Verbrecher, den sie suchten, bis an die Zähne bewaffnet sei. Donna befasste sich nicht mit dieser Art von angeberischen Spielchen. Das ärgerte die Typen vielleicht am meisten, dachte sie, als sie aus dem Wagen stieg und ihre maßgeschneiderte Jacke glattzog, damit sie richtig saß.
Detective Sergeant Liam Chappel ging mit hohlwangigem Gesicht, das so heiter wie ein verregnetes Wochenende in Walthamstow dreinschaute, hinter ihr zu den vier Constables in Uniform hinüber. »Nichts Aufregendes, Jungs«, sagte Donna, wobei die Schärfe in ihrer Stimme die Angespanntheit verriet, die sie alle spürten. Sie hatte mehrere Stunden gebraucht, bis es ihr gelungen war, von der Verwaltung der Wohnsiedlung Namen und Adresse zu bekommen, und die Verzögerung hatte ihre Stimmung nicht gerade gehoben. Eine Reihe kleinlicher Federfuchser hatte versucht, sie mit ihrem idiotischen Datenschutz zu blockieren, aber sie hatte ihnen gesagt, das Wählerverzeichnis sei sowieso frei zugänglich und sie könne dort die Informationen bekommen, die sie brauchte. »Ich bitte Sie nur, mir das Leben durch einen Blick auf Ihr Mieterverzeichnis ein bisschen leichter zu machen«, knurrte sie. »Wir bekommen beide unser Gehalt aus dem
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