Das Mordgesindel (German Edition)
Ein paar Fußgänger, Jogger und Leute, die ihren Hunden eine Abendrunde gönnten, liefen an uns vorbei und beachteten uns nicht weiter.
Snake kramte in seiner Jackentasche und mir fiel ein, dass ich ihn gar nicht gefragt hatte, was er unbedingt aus unserem Hotelzimmer hatte holen wollen, bevor wir hierhergekommen waren. Ich rechnete mit einer Pistole, einem Messer oder einem Schlagring, irgendetwas, das zu einem Mann wie ihm passte. Was er dann allerdings aus der Tasche beförderte, gehörte nicht zu den Dingen, an die ich gedacht hatte.
»Das ist nicht dein Ernst, Snake?« Ich nahm ihm die Videokamera ab. »Was willst du damit?«
»Beweise sammeln.« Er grinste. »Das macht man doch bei euch so, oder nicht?«
»Aber keine, die uns belasten, du Dummkopf.«
Snake zuckte mit den Schultern, als ich ihm die Kamera zurückgab. »Dann halt ein YouTube-Video. Wollte schon immer wissen, wie das ist, wenn Tausende deine Videos anklicken.« Als ich ihn anstarrte und nicht fassen konnte, was er da von sich gab, fügte er hinzu: »Keine Angst, die Gesichter kann man unkenntlich machen.«
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Snake war ein Einfaltspinsel. Wer wusste schon, was gleich in dem Haus geschah. Vielleicht würden wir gegen das Gesetz verstoßen, möglicherweise einem Menschen Leid zufügen und der verflixte Zuhälter hatte nichts Besseres im Sinn, als es in Bild und Ton zu meißeln. Ich ließ ihm seinen Spaß. Das Bildmaterial konnte ich später vernichten, sollten die Umstände es erfordern.
»Wenn ihr noch mehr Tamtam macht, können wir uns gleich ein Transparent über den Kopf halten, auf dem steht, was wir vorhaben.« Theo sah Snake und mich scharf an. »Also haltet den Mund und folgt mir.«
Er musste ein guter Polizist gewesen sein. Selbstbewusst und gefestigt, mit ein paar Worten alle um sich herum gefügig machen, das war eine Kunst, die nicht jeder Beamte beherrschte.
Snake salutierte und grinste wie ein dümmliches Honigkuchenpferd. Mir kam der Gedanke, ihn zu fragen, mit welchen Drogen er im Laufe seines Lebens schon experimentiert hatte; normal konnte sein Verhalten nicht sein.
Wir folgten Theo um das Haus herum und blieben vor einem offenen Fenster stehen.
»Das ist unser Glückstag, Baby«, flüsterte Snake.
Theo brachte ihn mit einem Tritt gegen das Schienbein zum Schweigen und reckte den Hals, um einen Blick ins Hausinnere zu wagen. Er nickte uns zu. Wir kletterten einer nach dem anderen durchs Fenster, gingen in die Hocke und warteten kurz ab. Wir waren in der Küche gelandet. Nachdem alles ruhig zu sein schien, schlich Theo uns voran in den Flur und hob die Hand. Er drehte sich zu uns um und deutete mit dem Zeigefinger auf den nächstgelegenen Raum.
Das kleine rote Teufelchen setzte sich auf meine Schulter: »So, Ratz, alter Kumpel, letzte Chance, einen Rückzieher zu machen.«
Ich schüttelte in Gedanken den Kopf. Nein, ich konnte jetzt keinen Rückzieher machen. Was auch immer in den kommenden Minuten geschah, es musste sein. Hier ging es um Menschenleben und um das einer ganz besonderen Frau. Ich würde sie nicht ihrem Schicksal überlassen und mich bis an mein Lebensende fragen, was aus ihr geworden war.
»Dann ist die Sachlage ja klar, alter Freund. Lass es krachen!« Das Teufelchen ließ mich allein und ich sah, wie Snake mit seiner Videokamera hantierte. Ein rotes Licht leuchtete auf, er hielt sie sich vor sein Gesicht und starrte auf das Display.
Wenn das mal gut geht …
Theo schlich weiter voran und verschwand im angegebenen Zimmer. Ehe ich ihm folgen konnte, hörte ich Kampfgeräusche. Ich sprang auf und wollte Theo zu Hilfe eilen; die hatte er allerdings nicht nötig. Als ich ins Wohnzimmer stolperte, hielt er einen Mann im Schwitzkasten und schnürte ihm die Luft ab. Es war derjenige, den ich am Fundort der Leiche gesehen hatte. Seine tief liegenden Augen, die vom Glimmen seiner Zigarette angestrahlt worden waren, erkannte ich sofort wieder.
Der Fremde ächzte. Seine Haut nahm eine ungesunde Farbe an und er krallte seine Fingernägel in Theos Arm.
»Lass ihn los«, rief ich.
Theo riss die Augen auf und starrte mich an. In ihnen loderten Hass und Schmerz. Jahre der Verzweiflung und des Unwissens, wer für den Tod seiner Frau verantwortlich war.
Ich vergaß kurz den um Luft ringenden Mann und mir wurde bewusst, dass Theo, Snake und ich etwas gemeinsam hatten. Nicht Alter, Aussehen oder Hobbys verbanden uns, sondern der grausame Umstand, dass wir alle jemanden in den
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