Das Mordgesindel (German Edition)
des moralisch Vertretbaren vor aller Welt so agieren konnten.
»Wenn sie nur die Frauen und Männer öffentlich zurücklassen, die an Ort und Stelle getötet wurden«, Snake schluckte schwer und rang sichtlich um Fassung, »wie viele haben sie dann noch auf dem Gewissen? Die Dunkelziffer muss um einiges höher sein. Und wo entsorgen sie die Leichen?«
Für Snake war das eine sehr gute Schlussfolgerung. Ich hätte nicht geglaubt, dass sein Verstand zu solch einer Idee fähig gewesen wäre und unter den jetzigen Umständen hätte ich es erst recht nicht für möglich gehalten.
»Das stimmt.« Theo rieb sich das Kinn. »Daran hab ich all die Jahre nicht gedacht. Für mich waren die Toten aus den Polizeiakten die einzigen Opfer.«
»Und das waren schon genug!« Snake sprang auf, lief zu Lukas, der steif auf seinem Stuhl saß, und versetzte ihm einen Hieb in den Magen. Lukas verzog keine Miene, nicht ein Muskel bewegte sich in seinem Gesicht. »Jetzt geht’s mir besser.« Snake seufzte und ließ sich auf das aufgeräumte Bett fallen.
Mir fiel erst jetzt auf, dass die beiden ganze Arbeit geleistet hatten, als ich mich mit Lukas in der Küche unterhalten hatte. Ich konnte sogar den Teppich erkennen. Ob es ein Vorteil war, dass man nun undefinierbare Flecken sah, war eine andere Sache …
Ich nahm mein Handy vom Schreibtisch, ließ Theo und Snake allein und ging zurück in die Küche. Meine Klamotten waren immer noch klatschnass. Mich umzuziehen kam mir nicht in den Sinn, denn dann hätte ich mir etwas von Lukas borgen müssen, und darauf hatte ich nun wirklich keine Lust.
Ich rief zuerst meine Mutter an und entschuldigte mich nochmals für mein seltsames Verhalten von vorhin. Sie war nicht nachtragend und wir plauderten eine Weile. Es tat gut, ihre Stimme zu hören. Wie gerne würde ich herausschreien, was ich seit meinem Aufenthalt in Amsterdam erlebt hatte, aber das sparte ich mir für den folgenden Anruf auf. Ich verabschiedete mich von meiner Mutter und bereitete sie darauf vor, dass ich es morgen wahrscheinlich nicht schaffen würde, sie anzurufen. Ich sagte ihr, mein Tag wäre von früh bis spät verplant. Zumindest das entsprach der Wahrheit.
Als Nächstes rief ich Jürgen und Paul an. Sie saßen gemeinsam im Revier und schauten Alex zu, wie er versuchte, die Firewall der Seite zu knacken; bis jetzt ohne Erfolg. Erst wollte ich ihnen wirklich alles erzählen. Eine Stimme in meinem Kopf riet mir, die Sache mit Diana zu verschweigen. Ich denke, ich wollte sie schützen. Alles andere erklärte ich ihnen bis ins kleinste Detail und meine Kollegen waren deutlich erschüttert. Zum wiederholten Mal fragte Jürgen mich, ob er nicht lieber Schroer informieren solle. Ich lehnte es ab. Als ich ihnen meinen Plan erläuterte, mich morgen einzuschleichen und den Laden von innen heraus zu sprengen, versprachen sie mir, die Füße stillzuhalten.
»Wenn die Kavallerie anrückt, bevor wir bei der Auktion sind, bekommen wir sie nie zu fassen.«
»Okay, wir vertrauen dir, Tomas, enttäusch uns nicht.« Paul klang müde.
»Falls ihr bis morgen Nachmittag nichts mehr von mir hört, schaltet ihr Schroer ein, abgemacht?« Ich hoffte, dass wir bis dahin mit unserer Arbeit fertig waren.
»Abgemacht«, sagte Paul.
»Wenn ich bei der Seite weiterkomm, meld ich mich bei dir«, warf Alex noch ein, ehe wir uns verabschiedeten.
Ich ging zurück zu Theo und Snake. Beide lagen auf dem Bett und schliefen, auch Lukas befand sich offensichtlich im Land der Träume. Der Computer war abgeschaltet, und da mich niemand informiert hatte, ging ich davon aus, dass sie kein Video über die Ermordung von Theos Frau gefunden hatten. Für uns alle war es das Beste. Es reichte, dass zwei von uns heute der Wahrheit ins Auge blicken mussten.
Ich schlich mich ins Wohnzimmer, zog mich aus und legte mich splitternackt auf die Couch. Einer der anderen hatte sie mit einem relativ sauberen Laken bezogen, da von vornherein klar gewesen war, dass wir nicht zu dritt im Bett schlafen konnten.
Ich drehte mich auf den Rücken, starrte die Decke an und entdeckte Wasserflecken und abblätternde Farbe. Das Haus sah bereits so heruntergekommen aus wie sein Besitzer. Was nutzte einem viel Geld und ein reicher Vater, wenn man einer Sucht erlag, die es in keinen Arztbüchern zu finden gab?
Bevor mir die Lider zufielen und ich einschlief, dachte ich über den Tag nach und bekam Gänsehaut. Ich hoffte, alles wäre bloß ein böser Traum und morgen früh würde ich mit
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