Das Mordgesindel (German Edition)
Treppe hoch. Er setzte sie auf einen verlassen aussehenden Stuhl inmitten der Tribüne und blieb in der Nähe stehen. Eine Rückkopplung pfiff durch Lautsprecher, ehe eine Frauenstimme uns herzlichst begrüßte. Der Vorhang wurde gelichtet und heraus trat Lady, die wunderschöne, kühle Blondine, der ich gerne eine Kugel in den Schädel jagen wollte. Sie schien nicht bloß ein kleines Licht unter ihresgleichen zu sein. Ich spürte die Macht und die Kontrolle, die sie ausstrahlte. Die Menge tobte, sprang auf und applaudierte. Lady badete in der Zuneigung, die ihre Anhänger ihr entgegenbrachten, und verneigte sich.
Ich wollte kotzen, weinen und schreien, am liebsten alles gleichzeitig. Theo bemerkte meine Unruhe, legte seine Hände auf meine und tätschelte sie.
»Ganz ruhig«, flüsterte er. »Versau es nicht.«
Ich gehorchte ihm, als wäre er tatsächlich mein Vater. Theo sollte besser wissen als wir, wie man sich in dieser Situation zu verhalten hatte. Er hing viel tiefer in der Sache drin als Snake und ich. Er wollte seit Jahren diese Menschen zur Rechenschaft ziehen und er würde wahrscheinlich alles dafür tun, damit nicht so ein Depp wie ich ihm die Tour vermasselte.
Die Menge beruhigte sich und nahm wieder Platz. Lady stand mittlerweile bei der bewusstlosen Frau und schlug ihr mit dem Handrücken leicht auf die Wangen. Sie schüttelte den Kopf, ihr Blick wanderte orientierungslos durch den Saal, ihre Lippen verzogen sich zu einem dünnen Strich.
»Fangen wir mit dieser Schönheit hier an.« Lady tänzelte um den Stuhl und fuhr mit ihren Händen durch die Haare der Frau. »Olga ist ihr Name, Hausfrau und Mutter aus Russland, spricht aber fließend deutsch.« Sie blieb stehen und tat so, als würde sie sich Tränen aus den Augen wischen. »Ihre fünf Kinder werden sie bestimmt vermissen und ihr Mann erst … er würde wohl mit kostbaren Wodkaflaschen auf uns werfen, wenn er wüsste, dass wir sie haben.« Sie legte eine Kunstpause ein, schien jeden einzelnen Anwesenden anzusehen und seufzte. »Ob sich heute jemand findet, der sich ihrer annimmt? Es ist ihre vierte Auktion und ich will, dass sie endlich erlöst wird.« Sie zog Olga auf die Beine. Die Frau schwankte gefährlich und drohte umzukippen. »Dimitri!«
Der Hüne fing Olga auf. Er umfasste mit seinen gewaltigen Pranken ihre Hüften und präsentierte sie den Kunden.
»Ist sie nicht ein Prachtstück?« Lady fuhr mit ihrer Hand über Olgas Körper. »Seht sie euch an.«
Einige der Zuschauer murmelten untereinander, andere kicherten. Ich meinte sogar jemanden sagen zu hören, dass niemand solch ein verdorrtes Stück Fleisch haben wolle, sondern alle auf die fetten Braten warteten.
»Wir machen Ihnen heute ein exklusives Angebot.« Der blonde Teufel ging ans Ende der Tribüne und tippelte auf ihren hohen Absätzen auf und ab. »Nur fünftausend Euro Startgebot.«
Die Menge kam in Wallung. Es schien für sie im Vergleich zu üblichen Versteigerungen ein richtiges Schnäppchen zu sein. Sie ekelten mich an, als plötzlich einer nach dem anderen sein Schild mit einer Nummer darauf hochhielt und ein Gebot in den Raum rief.
Bei Sonderangeboten kaufen Menschen offenbar alles, auch wenn es »verdorrtes Fleisch« ist …
Ich beugte mich zu Lukas rüber. Durch den entstandenen Lärm musste ich lauter sprechen. »In welcher Höhe fangen die Gebote normalerweise an?«
Er zuckte mit den Achseln. »Ist immer unterschiedlich, aber meistens geht’s ab fünfzigtausend los.«
Erst glaubte ich, mich verhört zu haben. Wenn mein menschlicher Verstand mir nicht eintrichtern würde, dass derartige Geschäfte nicht vertretbar und widerwärtig waren, würde ich behaupten, dass der Handel mit Mord ein lukrativer Broterwerb zu sein schien.
Die Menge hatte den Preis mittlerweile auf fünfzehntausend hochgetrieben. Langsam ebbte ihr Eifer ab und es kristallisierten sich zwei Männer heraus, die um das Topangebot des Tages stritten. Sie überboten einander, bis einer von ihnen aufgab und der andere seinen Schatz für achtzehntausend Euro ersteigert hatte. Er eilte zur Bühne, nahm Olga in Empfang und Lady fragte ihn, ob er live auf Sendung gehen oder lieber privat bleiben wollte. Der Kunde zögerte kurz und forderte eine Liveshow. Lady bellte in ihr Walkie-Talkie, dass die nächste Übertragung vorbereitet werden sollte, und widmete sich wieder ihren Fans, während der Kunde seine Ware im Arm hielt und vom Hünen hinausbegleitet wurde.
In mir tobte ein Kampf. Einerseits
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