Das Mordgesindel (German Edition)
alles in Zeitlupe ab. Sein Augenaufschlag schien Minuten zu dauern und seine Lippen verzogen sich sekundenlang zu einem schmierigen Lächeln.
»Wenn ich dich erwische, bist du tot!«, schrie ich und spuckte auf den Bildschirm. Mein Rotz landete direkt auf seiner Stirn und ich wünschte mir, dass es nicht mein Speichel war, der zäh von seiner Stirn rutschte, sondern ein Schwall seines Blutes aus einem Einschussloch. Mir fielen die Berettas ein. Ich tastete mit meinen Ellenbogen nach ihnen, sie waren nicht da.
»Suchst du das hier?« Er hielt die schwarze und die silberne Waffe in die Kamera. »Wir haben dich durchsucht, als du ohnmächtig warst, du Dummchen.«
Du Dummchen? Hielt er mich für ein kleines Kind, dass er so mit mir redete, oder glaubte er, ich wäre zurückgeblieben? Ich war noch im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte und er musste sich mehr anstrengen, um mich aus dem Konzept zu bringen. Snakes Tod würde mich treffen, ja, aber mich nicht zusammenbrechen lassen. Denn das hatte Markus vor, nicht wahr? Er wollte, dass ich die Fassung verlor und weinte wie ein Baby. Nicht mit mir.
»Bevor wir uns wieder deinem Freund zuwenden, möchte ich dir gerne was anderes zeigen.« Markus wurde ausgeblendet und er zeigte mir einen Ort, den ich nur zu gut kannte. Den Friedhof, auf dem zwei Frauen und zwei Mädchen begraben lagen, die einmal das Wichtigste in meinem Leben gewesen waren.
Ich knirschte mit den Zähnen und mein Kopf schien zu zerplatzen. Wut ließ meinen Körper erbeben. Ich lehnte mich im Stuhl vor und brüllte den Fernseher an.
»Lass das! Was zum Teufel …? Ich mach euch platt, euch alle, ihr miesen Dreckschweine!«
Niemand reagierte auf meinen Ausbruch. Ich musste mit ansehen, wie mehrere Männer auf das Grab meiner Frau, meiner Tochter, meiner Schwester und meiner Nichte urinierten. Aus ihren Schwänzen schoss dunkelgelbe Pisse, sie prasselte auf die Erde und sammelte sich zu einem winzigen See, ehe sie in den Boden sickerte.
»Warum macht ihr das?« Hatte ich nicht gerade noch behauptet, mich würden sie nicht kleinkriegen oder zum Heulen bringen?
Da hast du dich wohl geirrt, Tomas, alter Freund.
Tränen liefen mir in Sturzbächen über die Wangen, ich biss mir auf die Unterlippe und wollte die Zeit anhalten, damit die Gräber nicht weiter geschändet werden konnten. Das hatten die Männer auch nicht vor. Die nächste Bildeinstellung raubte mir den Atem. Ich wollte sterben, nicht zusehen müssen, was gleich geschehen würde.
»Das wagt ihr nicht …«
Doch, sie wagten es.
Sie brachen durch ein Fenster in das Haus meiner Eltern ein. Schwer bewaffnet mit allerlei Dingen, wie Baseballschläger, Brechstange, Säge.
»Das ist nicht wahr, das ist nicht wahr«, betete ich mir vor und kippelte mit dem Stuhl vor und zurück. Ein Stromschlag durchzuckte mich, dem sofort noch einer folgte.
Mein Elternhaus verschwand, Markus erschien wieder vor mir. Er kicherte. »Wir können dir leider keine Bilder deiner ausgeweideten Eltern zeigen, die Nachbarn haben zu schnell die Bullen gerufen und meine dämlichen Mitarbeiter haben in der Eile die andere Kamera vergessen.« Er lächelte mich mit seinen strahlend weißen Zähnen an. »Glaub mir einfach, dass sie geschrien haben wie die Schweine und bis zum letzten Atemzug gelitten haben.«
»Du lügst!«
Er zeigte mir eine blutverkrustete Armbanduhr. Es war die meiner Mutter, die mein Vater ihr vor Jahren zum Geburtstag geschenkt hatte. Ich würde sie unter hunderten wiedererkennen, da sie eine Spezialanfertigung war.
»Das tue ich nicht.«
Ich musste der Wahrheit ins Auge sehen. Meine geliebten Eltern waren tot. Abgeschlachtet, weil ihr Sohn unbedingt auf eigene Faust handeln und ein Mordgesindel in den Niederlanden aufscheuchen musste.
»Wann?«, fragte ich ihn.
Markus sah auf seine Armbanduhr. »Kann nicht länger als drei Stunden her sein. Wie fühlst du dich jetzt?«
Ich schwieg. Wie sollte ich mich schon fühlen? Das Grab: entehrt. Meine Eltern: ermordet. Diana: Status ungewiss. Natürlich ging es mir prächtig, ich hätte vor Freude Luftsprünge machen können. Bullshit! Mir war hundeelend. Mein Herz drohte in tausend Teile zu zerspringen. Aber das zeigte ich ihm nicht. Und noch etwas behielt ich für mich: Eins überstieg die Trauer und das war Hass. Unbändiger Hass. Egal, was Markus glaubte, mit mir anstellen zu müssen, ich würde ihn töten und wenn es das Letzte war, was ich in meinem kümmerlichen Leben tun würde.
»Ich sehe schon,
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