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Das Moskau-Komplott

Das Moskau-Komplott

Titel: Das Moskau-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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verbinden sie Chaos. Unser Präsident und die
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haben das begriffen. Sie benutzen Schlagworte wie >gelenkte Demokratie< und >Staatskapitalismus<, aber das sind nur Euphemismen für etwas Schlimmeres: Faschismus. Wir sind innerhalb eines Jahrzehnts von der Ideologie Lenins zur Ideologie Mussolinis getaumelt. Aber das sollte uns nicht verwundern. Sehen Sie sich um, Mr. Golani. Die Geschichte Russlands ist nur eine Abfolge politischer Erdbeben. Wir können nicht wie normale Menschen leben. Das werden wir niemals können.«
    Sie spähte an ihm vorbei in eine dunkle Ecke des Friedhofs. »Sie beobachten uns sehr genau. Nehmen Sie bitte meinen Arm, Mr. Golani. Es ist besser, wenn der FSB glaubt, dass Sie mich anziehend finden.«
    Er kam ihrer Bitte nach. »Vielleicht ist Faschismus ein zu starkes Wort«, sagte er.
    »Als was würden Sie dann unser System bezeichnen?«
    »Als korporatistischen Staat«, antwortete Gabriel ohne rechte Überzeugung.
    »Ich fürchte, das ist ein Euphemismus, den der Kreml geprägt haben könnte. Ja, unser Volk hat jetzt die Freiheit, Geld zu verdienen und auszugeben, aber der Staat bestimmt, wer die Gewinner und wer die Verlierer sind. Unsere Politiker sprechen von der Rückeroberung verlorener Reiche. Sie benutzen unser Öl und unser Gas, um unsere Nachbarn zu tyrannisieren und einzuschüchtern. Sie haben die Opposition und die unabhängige Presse nahezu ausgeschaltet, und wer dagegen zu protestieren wagt, wird auf offener Straße zusammengeschlagen. Unsere Kinder werden dazu genötigt, den Jugendorganisationen der Partei beizutreten. Man bringt ihnen bei, dass Amerika und die Juden nach der Weltherrschaft streben - dass Amerika und die Juden Russlands Reichtum und Bodenschätze stehlen wollen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, Mr. Golani, aber ich werde nervös, wenn junge Menschen zum Hass erzogen werden. Der Vergleich mit anderen Zeiten und Orten drängt sich auf und löst bei mir, gelinde gesagt, Unbehagen aus.«
    Sie blieb unter einer mächtigen Fichte stehen und wandte ihm das Gesicht zu.
    »Sind Sie ein aschkenasischer Jude?«, fragte sie.
    Er nickte.
    »Stammt Ihre Familie ursprünglich aus Russland?« »Aus Deutschland«, antwortete er. »Meine Großeltern kamen aus Berlin.«
    »Haben sie den Krieg überlebt?«
    Er schüttelte den Kopf, und wieder sagte er ihr die Wahrheit. »Sie wurden in Auschwitz ermordet. Meine Mutter war jung genug zum Arbeiten und konnte so überleben. Sie ist vor ein paar Jahren gestorben.«
    »Ich frage mich, was Ihre Mutter wohl von einem Politiker gehalten hätte, der jungen Menschen die paranoide Wahnvorstellung in die Köpfe setzt, dass andere ihr rechtmäßiges Eigentum stehlen wollten. Hätte sie das als Ideologie eines korporatistischen Staates bezeichnet, oder hätte sie einen schlimmeren Ausdruck verwendet?«
    »Ich habe verstanden, Miss Suchowa.«
    »Verzeihen Sie meinen Ton, Mr. Golani. Ich bin eine altmodische Russin, die im Garten der baufälligen Datscha ihres Großvaters Radieschen und Karotten pflanzt. Ich glaube an mein Russland, und ich möchte nicht, dass noch mehr Verbrechen in meinem Namen begangen werden. Auch Boris Ostrowskij wollte das nicht. Deswegen wollte er mit Ihnen sprechen. Und deswegen wurde er ermordet.«
    »Warum ist er nach Rom geflogen, Olga? Was wollte er mir sagen?«
    Sie hob die Hand und berührte mit den Fingern seine Wange. »Vielleicht sollten Sie mich jetzt küssen, Mr. Golani. Es ist besser, wenn der FSB den Eindruck hat, dass wir uns ineinander verlieben.«
     

15 Moskau
    Sie fuhren in ihrem Wagen, einem alten, erbsensuppengrünen Lada mit loser vorderer Stoßstange, zum Alten Arbat. Sie kannte ein Lokal, in dem sie reden konnten: ein georgisches Restaurant mit Grotten und künstlichen Bächen. Dort sei es laut, versicherte sie ihm.
Chaotisch.
»Der Wirt hat manchen Leuten zu viel Ähnlichkeit mit Stalin.« Sie deutete aus dem Fenster auf eine andere der »Sieben Schwestern«: »Das Hotel Ukraina.« »Das größte der Welt?«
    »Wir können nicht wie normale Menschen leben.«
    Sie stellte den Wagen unweit des Arbat-Platzes ungeniert im Parkverbot ab, und sie gingen im verblassenden Licht des Spätnachmittags zu dem Restaurant. Sie hatte recht gehabt, was den Wirt anging - er sah aus wie eine zum Leben erwachte Wachsfigur Stalins -, und auch in Bezug auf den Lärm. Gabriel musste sich über den Tisch lehnen, um zu verstehen, was sie sagte. Sie sprach gerade von einem Hinweis, den die
Gaseta
kurz vor Neujahr

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