Das Moskau-Komplott
Hörweite.
»Iwan hat von der unsichtbaren Hand seines berühmten Vaters profitiert und in der Abteilung schnell Karriere gemacht. Dann kamen Gorbatschow, Glasnost und Perestroika, und über Nacht änderte sich alles in unserem Land. Die Partei lockerte die Zügel der zentralen Planung und erlaubte jungen Privatunternehmern - in einigen Fällen Dissidenten, die von Iwan und der Fünften Hauptabteilung bespitzelt wurden - die Gründung von Kooperativen und Banken. Allen Widrigkeiten zum Trotz haben es diese jungen Unternehmer tatsächlich geschafft, Geld zu verdienen. Und sehr zum Leidwesen unserer heimlichen Herrscher in der Lubjanka, die es gewohnt waren, über die Gewinner und Verlierer in der Gesellschaft zu entscheiden. Ein freier Markt war eine Gefahr für die alte Ordnung. Und wenn Geld zu verdienen war, wollten sie sich natürlich ihren Anteil sichern. Aber dazu mussten sie ihrer Ansicht nach selbst in die Wirtschaft einsteigen. Und dafür haben sie einen dynamischen jungen Mann aus den eigenen Reihen gebraucht, der weiß, wie es im Kapitalismus zugeht. Einen jungen Mann, dem es erlaubt gewesen war, die verbotenen Bücher zu lesen.«
»Iwan Charkow.«
Sie erhob das Glas und prostete ihm anerkennend zu. »Mit dem Segen seiner Herren in der Lubjanka durfte Iwan aus dem KGB ausscheiden und eine Bank gründen. Er bekam einen feuchten Büroraum in einem alten Moskauer Verwaltungsgebäude und einen amerikanischen Personalcomputer - so etwas hatten die meisten von uns noch nie gesehen. Wieder legte sich die unsichtbare Hand auf Iwans Schulter, und innerhalb von Monaten scheffelte seine neue Bank Millionengewinne, hauptsächlich durch Geschäfte mit dem Staat. Dann zerfiel die Sowjetunion, und es begannen die wilden Neunzigerjahre, mit Gangster-Kapitalismus, Schocktherapie und schneller Privatisierung. Als die staatseigenen Betriebe an den Höchstbietenden versteigert wurden, sicherte sich Iwan einige der lukrativsten Objekte und Fabriken. Als in Moskau Immobilien für einen Apfel und ein Ei zu haben waren, hat er einige Filetstücke ergattert. In der Phase der Hyperinflation haben er und seine Gönner in der Lubjanka mit Währungsspekulationen Riesengewinne erzielt - Gewinne, die unweigerlich auf geheime Bankkonten in Zürich und Genf flossen. Iwan hat sich nie Illusionen über die Gründe für seinen erstaunlichen Erfolg gemacht. Er ist von der unsichtbaren Hand des KGB protegiert worden, und er hat es glänzend verstanden, diese Zauberhand immer mit Geld zu füllen.«
Ein Kellner erschien und stellte kleine Schalen mit georgischen Vorspeisen auf den Tisch. Olga erklärte Gabriel, was sie enthielten. Als der Kellner weg war, nahm sie ihren Faden wieder auf.
»Zu den staatlichen Vermögenswerten, die sich Iwan in den frühen Neunzigerjahren unter den Nagel gerissen hat, gehörte auch eine Flotte von Frachtflugzeugen und Containerschiffen. Sie hat ihn nicht viel gekostet, da zu der Zeit die meisten Flugzeuge im Land am Boden klebten und die Schiffe im Trockendock vor sich hinrosteten. Iwan stellte Personal ein, kaufte Gerätschaften und hat alles getan, was nötig war, um seinen Fuhrpark wieder flottzumachen, und innerhalb weniger Monate besaß er einen der wertvollsten Schätze in Russland: ein Unternehmen, das Güter ins In- und Ausland befördern kann und keine Fragen stellt. Nicht lange, und Iwans Schiffe und Flugzeuge haben lukrative Fracht in Krisenregionen gebracht.«
»Russische Waffen«, sagte Gabriel.
Olga nickte. »Und nicht bloß Kalaschnikows und RPG-7-Panzerabwehrwaffen, obwohl die einen beträchtlichen Teil seines Geschäfts ausmachen. Iwan handelt auch mit teuren Artikeln: Panzern, Flakgeschützen, Kampfhubschraubern, hin und wieder sogar mit einer Fregatte oder einer veralteten MiG. Heute versteckt er sich hinter einer Fassade der Ehrbarkeit und geriert sich als einer der führenden Moskauer Bauträger und Investoren. Er besitzt einen >Palast< in Knightsbridge, eine Villa in Südfrankreich und ein Chalet in Courchevel. Er kauft Gemälde, Antiquitäten und hält sogar Anteile an einer englischen Fußballmannschaft. Er ist Stammgast im Kreml und beim Präsidenten und den
silowiki
sehr eng verbunden. Aber im Grunde genommen ist er nichts weiter als ein Waffenschieber und Krimineller. Er ist ein, wie es heute so schön heißt, Full-Service-Dienstleister. Er hat die Waffen und die Frachter und Transportflugzeuge, um sie zu liefern. Wenn nötig, können seine Geldinstitute auch die Finanzierung
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