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Das Moskau-Komplott

Das Moskau-Komplott

Titel: Das Moskau-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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schüttelte den Kopf und schaute sich im Restaurant um. Einer der beiden Gangster hatte die Hand auf den nackten Oberschenkel seiner Begleiterin gelegt, aber von etwaigen Beschattern war nichts zu sehen. Olga zündete sich eine Zigarette an und legte Packung und Feuerzeug auf den Tisch.
    »Der Verkauf des Magazins hat uns in ein schreckliches Dilemma gebracht. Wir waren davon überzeugt, dass die Geschichte von dem Waffenverkauf stimmt, hatten aber keine Plattform mehr, um sie publik zu machen. Und der Sache in Russland weiter nachgehen konnten wir auch nicht. Deshalb haben wir uns für einen anderen Weg entschieden. Wir wollten die Ergebnisse unserer Recherchen dem Westen zuspielen, und zwar durch eine vertrauenswürdige Person im israelischen Geheimdienst.«
    »Warum gerade ich? Warum sind Sie nicht in die US-Botschaft gegangen und haben mit dem CIA-Residenten gesprochen?«
    »Für Oppositionelle oder Journalisten ist es nicht mehr ratsam, mit den Amerikanern zu sprechen, schon gar nicht mit Leuten von der CIA. Außerdem hat Boris den israelischen Geheimdienst schon immer bewundert. Und ganz besonders mochte er einen gewissen Agenten, dessen Foto neulich in der Zeitung war, weil er der Tochter des amerikanischen Botschafters in London das Leben gerettet hat.«
    »Also hat er beschlossen, ins Ausland zu fliegen und in Rom Kontakt zu uns aufzunehmen?«
    »Gemäß der neuen Ausrichtung der
Gaseta
sagte er unserem Verleger, dass er einen Artikel über prominente Russen in der Ewigen Stadt schreiben wolle. Nach der Ankunft in Rom hat er sich mit Ihrer Botschaft in Verbindung gesetzt und um ein Treffen gebeten. Offensichtlich haben der Waffenhändler und sein Sicherheitsdienst zugesehen. Ich glaube, sie sehen auch jetzt zu.«
    »Wer ist es? Wer ist der Waffenhändler?«
    Sie nannte einen Namen, dann nahm sie die Weinkarte und klappte sie auf.
    »Lassen Sie uns etwas zu trinken bestellen, Mr. Golani. Trinken Sie lieber rot oder weiß?«
     
    Stalin brachte den Wein. Er kam aus Georgien, war blutrot und sehr säuerlich. Gabriel war mit den Gedanken woanders. Er sann über den Namen nach, den Olga Suchowa soeben genannt hatte. Natürlich kannte er ihn. Jeder in diesem Geschäft kannte den Namen Iwan Charkow.
    »Was wissen Sie über ihn, Mr. Golani?«
    »Nur das Wichtigste. Ehemaliger KGBler, der sich zum russischen Oligarchen gemausert hat. Mimt gern den seriösen Investor und internationalen Geschäftsmann. Lebt vorwiegend in London und Frankreich.«
    »Das ist in der Tat das Wichtigste. Darf ich Ihre Kenntnisse etwas vertiefen?«
    Gabriel nickte. Olga stützte die Ellbogen auf den Tisch und hielt sich mit beiden Händen das Weinglas dicht vors Gesicht. Zwischen ihnen flackerte eine Kerze in einer roten Schale. Sie färbte ihre blassen Wangen rot.
    »Er ist ein Spross der privilegierten sowjetischen Funktionärskaste, unser Iwan. Sein Vater war hoher KGB-Offizier. Ein sehr hoher. Bei seiner Pensionierung leitete er die Erste Hauptverwaltung, die Abteilung für Auslandsspionage. Iwan hat einen Großteil seiner Kindheit im Ausland verbracht. Er durfte reisen, während gewöhnliche Sowjetbürger Gefangene im eigenen Land waren. Er hatte Jeans und Rolling-Stones-Platten, normale sowjetische Teenager nur kommunistische Propaganda und Komsomol-Wochenenden auf dem Land. In Mangeljahren, wenn die Arbeiter Seegras und Walfleisch essen mussten, bekamen er und die Seinen frisches Kalbfleisch und Kaviar.«
    Sie trank einen Schluck Wein. An der Vordertür verhandelte Stalin mit zwei männlichen Gästen über einen Tisch. Einer der beiden war auf dem Friedhof gewesen. Olga schien ihn nicht zu bemerken.
    »Wie alle Kinder der Parteielite bekam er automatisch einen Platz an einer Eliteuniversität. In Iwans Fall war es die Moskauer Staatsuniversität. Nach dem Studium wurde er sofort vom KGB übernommen. Obwohl er flüssig deutsch und englisch sprach, wurde er als ungeeignet für den Spionagedienst im Ausland eingestuft und in die Fünfte Hauptverwaltung gesteckt. Sie ist Ihnen ein Begriff, Mr. Golani?«
    »Sie war für Sicherheitsaufgaben im Innern zuständig: Grenzkontrolle, Dissidenten, Künstler und Schriftsteller.«
    »Vergessen Sie die Refuseniks nicht, Mr. Golani. Unter die Aufgaben der Fünften Hauptverwaltung fiel auch die Verfolgung der Juden. Man munkelt, dass Iwan in dieser Beziehung großen Eifer an den Tag gelegt hat.«
    Stalin setzte die beiden Männer an einen Tisch ungefähr in der Mitte des Restaurants, weit außer

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