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Das Moskau-Komplott

Das Moskau-Komplott

Titel: Das Moskau-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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übernehmen. Er ist für seine kurzen Lieferzeiten bekannt, manchmal über Nacht, genau wie DHL und Fedex.«
    »Wenn wir herausfinden wollen, ob Iwan tatsächlich Geschäfte mit der al-Qaida macht, müssen wir irgendwie in sein Netzwerk kommen. Und um da reinzukommen, brauchen wir den Namen Ihrer ursprünglichen Quelle.«
    »Den kann ich Ihnen nicht geben, Mr. Golani. Zwei Menschen sind bereits tot. Ich fürchte, da ist nichts zu machen.« Sie blickte in ihre Speisekarte. »Wir sollten etwas essen, Mr. Golani. Es ist besser, wenn der FSB glaubt, dass wir wirklich Hunger haben.«
     
    Während des Essens erwähnte Olga Iwan Charkow und seine Waffen mit keinem Wort mehr. Stattdessen sprach sie von Büchern, die sie in letzter Zeit gelesen, und Filmen, die sie gesehen hatte, und von den bevorstehenden Wahlen. Als die Rechnung kam, entspann sich ein neckisches Geplänkel, männliche Galanterie gegen russische Gastfreundschaft, und die Galanterie obsiegte. Draußen war es noch hell. Sie gingen auf direktem Weg zu ihrem Wagen, Arm in Arm für etwaige Zuschauer. Der alte Lada wollte zuerst nicht anspringen, doch schließlich erwachte er, eine silbergraue Rauchwolke aushustend, zum Leben. »Gebaut von den besten sowjetischen Facharbeitern in den letzten Jahren des entwickelten Sozialismus«, sagte sie. »Wenigstens müssen wir unsere Scheibenwischer nicht mehr abmachen.«
    Sie drehte das Radio sehr laut und umarmte ihn ohne Leidenschaft. »Wären Sie so freundlich, mich bis zur Tür zu begleiten, Mr. Golani? Leider ist es in meinem Haus nicht mehr so sicher, wie es einmal war.«
    »Aber mit Vergnügen.«
    »Es ist nicht weit. Höchstens zehn Minuten. Es gibt eine Metro-Station in der Nähe. Sie können ...«
    Gabriel legte ihr einen Finger auf die Lippen und forderte sie auf loszufahren.
     

16 Moskau
    Moskau, so sagt man, sei eigentlich keine richtige Stadt, sondern eine Ansammlung von Dörfern. Dies war so ein Dorf, dachte Gabriel, während er an Olgas Seite ging. Und eines mit ernsten Problemen. Hier eine Gruppe von Alkoholikern, die sich mit Bier und Wodka volllaufen ließen. Dort eine Clique von Drogensüchtigen, die eine Pfeife und eine Tüte Klebstoff kreisen ließen. Ein Stück weiter eine Horde von Skateboard-Punkern, die drei Großmütterchen beim Abendspaziergang in Angst und Schrecken versetzten. Und über allem prangte das riesige Konterfei des russischen Präsidenten, der in Lenin-Manier den Arm erhoben hatte. Ganz oben auf dem Plakat stand in roten Lettern der allgegenwärtige Slogan der Partei: GEMEINSAM VORAN!
    Das Mietshaus, in dem sie wohnte, trug die Bezeichnung K-9, doch englischsprachige Witzbolde nannten es das »House of Dogs«. Es war über einem H-förmigen Grundriss errichtet, hatte zweiunddreißig Stockwerke, sechs Eingänge und einen großen Sendemast mit blinkenden roten Warnlichtern auf dem Dach. Ein identischer Zwilling stand auf der einen, eine hässliche Stiefschwester auf der anderen Seite. Das waren keine Wohnhäuser, dachte Gabriel, sondern Verwahrungsanstalten für Menschen.
    »Welcher Eingang ist Ihrer?«
    »Eingang C.«
    »Nehmen Sie einen anderen.« »Aber ich benutze immer C.«
    »Eben deshalb möchte ich, dass Sie einen anderen nehmen.«
    Sie traten durch eine Tür, die mit B gekennzeichnet war, und gingen durch einen langen Korridor mit rissigem Linoleumfußboden. Jede zweite Lampe brannte nicht, und hinter den geschlossenen Türen drangen die Geräusche und Gerüche zu vieler auf engem Raum zusammenlebender Menschen hervor. An den Aufzügen angekommen, drückte Olga auf die Ruftaste und blickte zur Decke. Eine Minute verstrich. Dann noch eine.
    »Er funktioniert nicht.«
    »Wie oft geht er denn kaputt?«
    »Einmal die Woche. Manchmal zweimal.«
    »Im wievielten Stock wohnen Sie?«
    »Im elften.«
    »Wo ist die Treppe?«
    Mit einem Blick deutete sie um die Ecke. Gabriel ging voraus in ein schwach beleuchtetes Treppenhaus, das nach schalem Bier, Urin und einem Hauch Desinfektionsmittel roch. »Leider«, sagte sie, »hält der Fortschritt in russischen Treppenhäusern nur langsam Einzug. Aber ob Sie es glauben oder nicht, früher war es noch viel schlimmer.«
    Gabriel setzte den Fuß auf die erste Stufe und stieg dann, dicht gefolgt von Olga, nach oben. Bis zum vierten Stock begegneten sie keinem Menschen. Im fünften standen zwei Mädchen, die zusammen eine Zigarette rauchten, im siebten zwei Jungen, die sich eine Spritze setzten. Im achten musste Gabriel kurz innehalten, um ein

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