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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Tonfall, der ausdrückte, dass Mavick eigentlich nichtsanderes erwartet hatte. »Ich drohe nicht, schon gar nicht einem Verbündeten. Aber ich habe bezahlt für eine Ware, die nicht geliefert wird, und da ist eine Rückerstattung des Kaufpreises üblich, in jedem Land der Welt, sogar in der Sowjetunion. Und gerade unter Verbündeten sollte das mehr als selbstverständlich sein.«
    »Und Sie haben keine Geduld, um zu warten, ob das Flugzeug vielleicht doch noch landet?«
    »Nein, ich habe einen Fehler gemacht, Ihnen zu vertrauen, und jetzt werde ich den Fehler tilgen. Es steht ganz in Ihrem Ermessen, wie diese Tilgung erfolgt. Aber getilgt wird er.« Seine Augen verrieten, dass er keineswegs so cool war, wie er tat.
    Henri straffte seinen Rücken, wie um einen Angriff abzuwehren. Wenn ich jemals gerätselt haben sollte, wie man sich im Eiltempo einen Todfeind macht, jetzt weiß ich es.
    Nachdem Henri gegangen war, saß Mavick noch lange im abhörsicheren Raum der Botschaft. Die Augen geschlossen, kritzelte er auf dem Papier, das vor ihm lag. Seine zornige Fantasie führte ihm vor, wie er das Schwein mit einem Messer abstach, langsam und genüsslich. Er musste sich entscheiden, und zwar jetzt. Natürlich konnte er seinen Abschied einreichen, aber es wäre eine Niederlage. Nein, er würde sich nicht verpissen und sich auf seinem Erbe ausruhen. Denn wie sollte er Ruhe finden, wenn er immer daran erinnert wurde, dass dieser Pullacher Stümper ihn reingelegt hatte? Wahrscheinlich hatte er sich das Geld selbst unter den Nagel gerissen oder gemeinsam mit seinen sowjetischen Kumpanen. Mavick war sich allerdings sicher, dass an der Flugzeuggeschichte etwas dran war. Aber dann musste etwas dazwischengekommen sein. So was passierte, und wenn es nicht zehn Millionen wären und er nicht aussähe wie ein Idiot, könnte man barmherzig den Mantel des Schweigens darüber decken. Doch daswar unmöglich. Er musste die Sache klären und mindestens Martenthaler ausschalten. Danach konnte er sich eine Geschichte einfallen lassen.
    Er nahm den Telefonhörer in die Hand, betrachtete ihn unschlüssig, doch dann wählte er. Als er ein hartes »Ja?« hörte, sagte er:
    »Alexander Alexandrowitsch?«
    »Ja.«
    »Ich muss mit Ihnen sprechen. Wir haben ein Problem.«
    › ‹
    Niemand rief »Stoj!«. Theo schritt zur Eingangstür, ohne nach links und rechts zu schauen. Als er sie öffnen wollte, zog sie jemand von außen auf. Ein kleiner, schmächtiger Mann stand vor ihm und musterte ihn, wie Vorgesetzte Untergebene mustern. Theo durchfuhr es, es war Suchanow, wer sonst? Er schob den Mann entschlossen zur Seite, Suchanow stolperte und fiel in den Schneematsch. Theo rannte los, dann hörte er das Geschrei. Im Laufen zog er den weißen Kittel aus und warf ihn über eine laublose Hecke. Am Himmel brachen graue Wolken das Sonnenlicht, alles sah aus wie auf einem verblassten kolorierten Schwarz-Weiß-Foto. Menschen hasteten ihm entgegen, sie beachteten ihn kaum. Es war Berufsverkehr, Moskau boomte, Arbeitslose gab es kaum. Er schaute sich um, sah aber niemanden, der ihm folgte. Dann, auf der Straße, ein Streifenwagen. Theo bremste ab und verfiel in einen Normalschritt, obwohl alles ihn drängte, so schnell zu rennen, wie es nur ging. Der Polizeiwagen war weg, er rannte wieder los. Bald wusste er nicht mehr, wo er war. Er bog links ab, rechts, dann geradeaus, wieder ein Haken, aber immer dorthin, wo möglichst viele Menschen unterwegs waren. Als er eine Unendlichkeit gerannt war, musste er sich erholen. Er ging langsam weiter, schnaufte undschwitzte. Immer wieder sicherte er möglichst unauffällig das Terrain. Er überlegte, ob er zu Protossows Datscha zurückfahren sollte, aber dann strich er die Idee. Sie würden alle Zugänge zu Bahnhöfen kontrollieren. Und er durfte Protossow nicht in den Untergang hineinziehen. Den würden sie noch übler beuteln als Theo. Welche Möglichkeiten hatte er nun?
    Da fiel ihm ein, was ihm Henri dereinst erzählt hatte, als er noch den Vater gab. Eine spannende Geschichte, wahrscheinlich die einzige eigene, die er je erzählt hatte. Seit wann konnte Henri sich Geschichten ausdenken? Theo lachte gequält, es klang eher wie ein Husten. Wenn du fliehen musst, versteck dich unter Menschen. Besorg dir andere Kleidung, damit die Beschreibung nicht mehr stimmt. Verkriech dich eine Weile irgendwo und überlege, was du als Nächstes tun kannst. Und fast genau in diesen Worten hatten die BND – Ausbilder es ihnen auch

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