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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Warum Fragezeichen hinter Andropow und Tschernenko, warum ein Ausrufezeichen hinter Gorbatschow?
    Er mühte sich, weitere Wörter zu lesen, fand aber nur ein Datum, dahinter einen Doppelpunkt und krypti sches Geschreibsel. Das Datum lautete 10. 3. 85.
    Er hätte so gern etwas getrunken. Nur einen Schluck. Aber er hatte nichts im Büro und hätte die Dienststelle verlassen müssen. Reiß dich zusammen. Weiter.
    Verdammt, was bedeutete das Datum? Er gab es in Google ein und erhielt mehr als fünfzehntausend Fundstellen. Es war unter anderem Tschernenkos Todestag. Und was sollte er jetzt damit anfangen? Es war sinnlos, was er tat.
    Wodka oder Whisky?
    Er hatte also drei Generalsekretäre und den Todestag des mittleren in der Reihe. Toll, ärgerte er sich. Er blätterte weiter. Auf den folgenden Seiten stieß er noch mehrmals auf die Generalsekretäre. Dazu ein T. Wer oder was war T ?
    Und noch ein S. Dann Café 51. Das kannte Theo, wenn es das war. Ein Café im GUM , ganz ordentlich. Ein idealer Treffpunkt. Es lag auf einer Balustrade, von der aus man gut beobachten konnte, ob einem einer folgte. Viele Menschen, unauffällig. Er könnte sich ein Foto von Scheffer besorgen und dort herumfragen. Vielleicht kam er so auf eine Spur. Nur, wohin sollte die führen?
    Es war doch alles Quatsch. Wie sollte er in Moskau in einem Todesfall ermitteln ohne die Instrumente der Polizei? Und warum er, der noch nie eine Ermittlung geführt hatte? Warum schickte Klein ihn und nicht einen Kollegen, der diese Schnüffelei schon gemacht hatte? Warum keinen vom BKA ? Weil Theo mit Scheffer vor Kurzem in Moskau zusammengearbeitet hatte?
    Im braunen Ordner hatte Scheffer Artikel aus deutschen, amerikanischen und russischen Zeitungen der Achtzigerjahre abgeheftet. Die Namen einiger Autoren waren unterstrichen. Wollath hieß einer, Fath ein anderer, und ein Schmidt war auch dabei. Hier und da hatte er auch im Text etwas unterstrichen, an einigen Stellenetwas an den Rand gekritzelt, unleserlich. Theo blätterte im Schnelldurchgang. In einigen Artikeln ging es um die drei Generalsekretäre, die binnen drei Jahren gestorben waren, als wollten sie die Agonie der Sowjetunion mit ihren persönlichen Schicksalen dokumentieren. Ein Staat, der todgeweihte Greise zu Führern macht, ist selbst dem Tod geweiht. Die alten Herren im Politbüro hatten eben alte Herren zu Generalsekretären ernannt. Und als ihnen nichts mehr übrig blieb und sie sich auf keinen weiteren alten Herrn mehr einigen konnten, haben sie einen jungen aus der Wundertüte gezogen, den Genossen Gorbatschow. Vielleicht hatten ja manche geglaubt, der Jungspund aus dem fernen Stawropol, der stets folgsam, geradezu unterwürfig gewesen war, den sie bei ihren Kaukasusurlauben als freundlichen und hilfsbereiten Genossen erlebt hatten und der die großen Führer aus Moskau vergötterte, dieser Nachwuchskader würde genauso auf die Stabilität achten wie die Vorgänger. Aber dann hat der Jungspund die Stabilität als Stagnation verurteilt und den Laden zusammenkrachen lassen. Theo versuchte sich vorzustellen, wie diese Mumien des Spätkommunismus gedacht haben mochten. Vor allem, was hatte Scheffer damit am Hut? Warum sammelte er Artikel über Gestalten, die jeder halbwegs gebildete Mensch ausreichend kannte und die längst in ihren Grabstätten hinter dem Leninmausoleum vermodert waren, nicht nur ihre Körper? Wann hatte Scheffer die Artikel gesammelt? Warum hatte er sie aufgehoben? Weil er nichts wegwarf? Aber dann hätte seine Hinterlassenschaft doch umfangreicher sein müssen? Oder nicht?
    In einem Leitartikel aus der Frankfurter Allgemeinen, erschienen am 12. November 1982, mühte sich einer der Kremlastrologen, die künftige Entwicklung der Sowjetunion zu erraten. Auch darin hatte Scheffer die Namen von Tschernenko und Andropow unterstrichen.
    Theo blätterte, las und blätterte vor und zurück, nahm weitere Ordner und Papierstapel aus der Kiste, aber er wurde nicht schlau. Neben Aufzeichnungen über Schachspiele, ein paar Privatbriefen von einer Schwester – immerhin hatte er also eine Schwester gehabt, je denfalls hatte sie als deine Schwester unterschrieben – hatte Scheffer vor allem Material über die Sowjetunion in den Achtzigerjahren aufgehoben. In einem DIN A5-Schulheft mit Karos fand er in Großbuchstaben das Wort KRIEGSGEFAHR ! Was sollte das heißen? Theo wusste, dass es im Kalten Krieg hoch hergegangen war. Aber Krieg wäre Selbstvernichtung gewesen. Wer kann so bescheuert

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