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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Mietshäuser an der Straße waren erleuchtet, hier und da spiegelte sich das Flimmern der Fernsehgeräte in den Scheiben. Henri sah, dass Angela Stiefel mit einer kräftigen Gummisohle angezogen hatte.
    Bald standen sie vor einem unverputzten fünfstöckigen Betonbau, der sich zwischen zwei alten Mietshäusern duckte. Sie öffnete die Haustür und ging voraus. Gleich hinter der Tür war eine Art Schalter, darin eine Frau, um die fünfzig, in Uniform. Angela schob ihr ihren Diplomatenausweis zu, Henri tat es ihr nach. »Sie kennt mich ganz genau, und trotzdem komme ich hier ohne dieses Ding nicht hinein. Vergessen Sie den nie, sonst lässt die Sie vor der Haustür erfrieren.« Es war ihr egal, ob die Wächterin sie verstand oder nicht. Im Augenwinkel sah Henri, dass die Frau nicht die geringste Regung zeigte. Natürlich hatte sie einen Zweitauftrag vom KGB .
    Angela und Henri gingen zum Aufzug. Sie standendicht an dicht im engen Fahrstuhl, schauten aneinander vorbei und schwiegen. Henri fand es fast beklemmend, fühlte sich, als wäre er aufdringlich. Sie roch gut. Im dritten Stock hielt der Aufzug, und die Türen schoben sich zur Seite. Angela ging nach rechts in den Gang, dann nach links. Er folgte. An der zweiten Tür nach der letzten Ecke hielt sie und zog einen Schlüssel aus der Tasche. Sie steckte ihn ins Schloss und öffnete. Sie drückte die Tür auf und ging hinein. »Kommen Sie!«
    Er trat in einen kleinen Vorraum, von dem drei Türen abzweigten. Sie öffnete die mittlere und ging hinein. Es war das Wohnzimmer, auf dem Boden stand sein Gepäck. Es war warm, offenbar hatte jemand die Heizung rechtzeitig angestellt. Das Fenster ging zur Straßenseite, an der Wand ein braunes Sofa, davor ein Glastisch, dann ein Sessel, der zum Sofa passte. In einer Ecke ein Fernsehgerät, ein Radio auf einer Kommode. In der anderen Ecke ein kleiner Schreibtisch mit einem Stuhl. Alles aus Buchenfurnier. Ein roter Teppich und beige Vorhänge. Ein bisschen wie ein Hotelzimmer in einem Durchschnittshotel. Es passt zu dir, dachte Henri. Ein Durchschnittszimmer für einen Durchschnittsmann. Er hatte sich nie als jemand Besonderen gesehen. Das war gut bei der Arbeit, so fiel er nicht auf. Gern verbarg er seinen scharfen Verstand, und wenn es ernst wurde, redete er wenig, weil andere dann umso mehr redeten.
    »Sehen alle gleich aus«, sagte sie. »Ich verlasse Sie jetzt. Wenn Sie Fragen haben, klingeln Sie schräg gegenüber, da wohnt eine gewisse Frau Morgenstern. Wirklich ein seltsamer Name.« Sie kicherte wie ein Mädchen und ging.
    Henri sah auf die Uhr. Er hatte noch eine knappe halbe Stunde. Er schaute sich die anderen Räume an, Bad mit WC , Schlafzimmer mit Schrank und schmalem Bett, Küche mit einer Ober- und einer Unterzeile. Ein kleiner Tisch mit Stuhl. Mehr als ein Bewohner passte hier nicht hinein.
    Henri trug sein Gepäck in das Schlafzimmer und begann seine Kleidung einzuräumen. Sorgfältig legte er Hemden, Pullover, Unterwäsche, Socken und so weiter in Fächer. Er war nicht erst seit dem Militärdienst so akkurat, das war das Erbe seines Vaters, wie er sich eingestand. Roswitha hatte ihn einen Zwangsneurotiker genannt. Dem Ordnungsfanatismus entsprach ein Reinigungsbedürfnis, das an Wahn grenzte. Es hatte ihn lange beherrscht und ihm das Leben schwer gemacht. Aber er hatte es nach der Trennung begriffen und begonnen, dagegen anzukämpfen. Manchmal gelang es ihm, ein Hemd zwei Mal anzuziehen oder die Schuhe nicht zu putzen, bevor er das Haus verließ. Er arbeitete daran, weil er wusste, wie lächerlich es war. Und so kämpfte er täglich gegen den Vater. Zwar würde er diesen Krieg nie gewinnen, weil der Vater tot war und nicht mehr kapitulieren konnte, aber einige Schlachten entschied Henri für sich. Immer mehr in letzter Zeit.
    Und das Buch über die Schlacht, die ihn noch mehr faszinierte, legte er auf den Nachttisch neben das Bett, Karl Mays Roman Der Weg nach Waterloo.
    Er schaute wieder auf die Uhr. In zehn Minuten musste er vor der Tür stehen. Henri war immer pünktlich. Schnell präparierte er das Zimmer. Er knickte die Ecke eines gefalteten Unterhemds, legte Aktenordner auf den Tisch im Wohnzimmer und merkte sich genau, wie die Ordner lagen. Er ließ eine Kommodenschublade einen winzigen Spalt offen stehen und lehnte auch eine Schranktür nur an, ohne den Schlüssel umzudrehen. Wenn jemand seine Wohnung durchsuchte, dann würde er nun eine Spur hinterlassen, ohne aber zu merken, dass die Fallen von einem

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